Braunschweig. Verkäufer können von privaten Erfahrungen profitieren. Doch es fehlt an Nachwuchs.

Marcel Sanecki ist Hobby-Fußballer aus Leidenschaft. Und in seinem Job? Verkauft er Fußballschuhe und Trikots bei Karstadt Sports in Braunschweig – unter anderem. Viktoria Geneberg dagegen hatte immer ein Faible für Schmuck. Jetzt steht sie fast täglich beim Braunschweiger Juwelier Rödiger hinter der Verkaufsauslage. In seinem Arbeitsalltag mit dem zu tun zu haben, was einen auch privat interessiert, erscheint reizvoll. Und trotzdem nimmt das Interesse junger Menschen an einer Ausbildung zum Verkäufer ab.

Für keinen Ausbildungsberuf in unserer Region gibt es laut aktuellen Zahlen der Arbeitsagenturen Braunschweig-Goslar, Helmstedt und Hildesheim so viele unbesetzte Lehrstellen wie für den Verkäufer. Das weiß man auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Braunschweig. Die teilweise ungewöhnlichen Arbeitszeiten inklusive Wochenende, körperlich anstrengende Tätigkeiten und die im Vergleich zu anderen Branchen eher geringe Vergütung seien die wesentlichen Gründe hierfür.

Marcel Sanecki und Viktoria Geneberg haben den Weg dennoch eingeschlagen. Es ist der gleiche Ausbildungsgang – und trotzdem sind ihre Jobs grundverschieden. Er arbeitet in einem deutschlandweit tätigen Großunternehmen, sie in einem Familienbetrieb. Er berät Kunden beim Kauf von Shirt oder Schweißband, sie bietet Goldschmuck im Hochpreis-Segment an. Und dann die Kunden: Bei Karstadt Sports bleiben die Kunden meist anonym, bei Rödiger werden Stammkunden mit Namen begrüßt.

„Ich wollte schon immer in den Sportbereich“, berichtet Sanecki, der in Braunschweig für die Fußballer des SV Broitzem aktiv ist. Vier Wochen dauerte seine Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Ich habe mich bei mehreren Sportgeschäften beworben“, erzählt der 18-Jährige. Weil er während eines Schülerpraktikums einen guten Eindruck bei Karstadt Sports hinterlassen hatte, durfte er dort Bewerbungsgespräch und Eignungstest absolvieren. Es klappte. Marcel Sanecki bekam den Ausbildungsplatz.

In der Braunschweiger Filiale durchläuft der Sportfan sämtliche Abteilungen. Derzeit ist er besonders glücklich: In der Teamsport-Abteilung hat er es neben Tennis- und Boxartikeln auch mit Produkten aus dem Fußball zu tun. „Wer für Fußball schwärmt, will zwar nicht immer gern in den Outdoor-Bereich. Aber auch diese Erfahrungen sind wichtig“, sagt Filialleiterin Michaela Kampf.

Offenheit gegenüber anderen Menschen sei eine der wichtigsten Eigenschaften, die Auszubildende für den Verkauf mitbringen müssten, so Kampf. Sanecki selbst sieht sich als kommunikativen Menschen und schätzt Teamarbeit. Die kann beispielsweise nötig sein, wenn Kunden ihn mit Fachfragen überfordern. „Wenn ein Läufer mit einer ganz speziellen Frage kommt und ich neu in dem Bereich bin, ist Ehrlichkeit das Beste. Ich erkläre das dem Kunden und hole einen Kollegen zu Hilfe“, erklärt Sanecki, der allerdings nicht nur Kunden zur Seite steht. Ware zu sortieren, die Umkleidekabinen aufzuräumen oder auch mal die Spiegel zu putzen, gehört ebenfalls zum Job.

Während viele Weiterbildungsmaßnahmen für Sanecki über die Karstadt Sports-Zentrale in Essen laufen, geht bei Viktoria Geneberg alles in einem überschaubaren und familiären Umfeld über die Bühne. Betreut werden die Auszubildenden von Sibylle Rödiger, die das Juweliergeschäft in der Braunschweiger Innenstadt zusammen mit ihrem Mann vor nunmehr 55 Jahren eröffnete.

„Die Beratung wird immer komplexer. Viele Kunden sind durch das Internet vorgebildet“, sagt Geschäftsführer Tobias Rödiger. Aber gerade Beratung sei beim Schmuckkauf wichtig. Schließlich gehe es nicht nur um die bloße Optik. Auch Aspekte wie Trageeigenschaft oder Wertbeständigkeit seien von Bedeutung, so Rödiger. In einem persönlichen Gespräch im Laden könne ein Verkäufer auf die ganz individuellen Wünsche der Kunden eingehen und mit ihm zusammen das passende Stück finden.

Das hat Viktoria Geneberg inzwischen gelernt. Die 21-Jährige ist im dritten Lehrjahr. Bisweilen führt sie intensive Verkaufsgespräche – einen Diamantring kauft schließlich keiner so schnell wie ein T-Shirt. „Ich kümmere mich aber auch um die Warenlieferungen, poliere Schmuckstücke oder erledige die Post“, erzählt die Auszubildende, die nach ihrer Ausbildung das Fachabitur nachholen möchte. Dann wird vielleicht die nächste Auszubildende folgen – wenn es der Bewerbermarkt denn hergeben sollte.