Braunschweig. Ingenieure haben meist betriebswirtschaftliches Wissen, um Unternehmensbereiche zu führen. Schwer fällt ihnen aber oft das Führen von Mitarbeitern.

Bis vor wenigen Jahren war die Karriere von Ingenieuren weitgehend auf die Fachlaufbahn in den Unternehmen beschränkt. Die oberen Sprossen der Karriereleiter hingegen waren „meist für Betriebswirte und Juristen reserviert“, erklärt Prof. Dr. Karl-Müller Siebers, Präsident der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Hannover. Denn die obersten Firmenlenker trauten den Ingenieuren das Leiten größerer Unternehmensbereiche nicht zu – unter anderem, weil ihnen im Studium kaum betriebswirtschaftliches Know-how vermittelt wurde. Auch in das Einmaleins der Personalführung wurden sie nicht eingeführt.

„Diese Zeiten sind vorüber“, betont Stefan Bald, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Denn viele Firmen haben erkannt: „Wenn wir uns am Markt behaupten wollen, müssen wir unseren Kunden innovative Problemlösungen bieten. Also müssen in unserer oberen Führungsetage auch Leute mit technischem Sachverstand sitzen.“

Deshalb gelangen seit einigen Jahren mehr Ingenieure in die Beletage der Unternehmen. Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Dessen ist sich Stefan Bald gewiss.

Dessen ungeachtet stellt die Übernahme einer Führungsposition meist einen tiefen Einschnitt in der beruflichen Laufbahn von Ingenieuren dar, weiß Julia Voss, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Voss+Partner, Hamburg: „Denn als Fachkraft war vor allem ihr technisches Know-how gefragt. Als Führungskraft hingegen müssen sie eher Generalisten als Spezialisten sein.“

Nötig ist zum Beispiel betriebswirtschaftliches Know-how. Denn ein Bereichsleiter muss auch Kostenrechnungen erstellen und betriebswirtschaftliche Kennzahlen interpretieren können. „Bereichsleiter brauchen aber auch juristisches Know-how“, weiß Julia Voss, „und zwar nicht nur in personalrechtlichen Fragen.“

Das Fehlen dieses Know-hows bereitet Ingenieuren in der Startphase als Führungskraft oft Kopfzerbrechen – „aber meist nicht lange“, betont Prof. Dr. Müller-Siebers. „Denn in den meisten technischen Studiengängen wird den Studierenden heute auch ein betriebswirtschaftliches und juristisches Basiswissen vermittelt.“ Und was noch fehlt? Das können sich die jungen Ingenieure meist schnell mit Büchern aneignen.

Anders sieht es im Bereich Personalführung aus. Sich hier das nötige Wissen und Können anzueignen, bereitet Ingenieuren meist mehr Schwierigkeiten. Denn das Wissen über die wichtigsten Führungsinstrumente können sie sich zwar mit Büchern und in Seminaren aneignen. „Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie diese Tools im Alltag einsetzen können“, erklärt Stefan Bald. Denn anders als das betriebswirtschaftliche Wissen, das unmittelbar beim Lesen von Bilanzen Früchte trägt, muss sich das Führungswissen „im Umgang mit lebenden Menschen entfalten“.

„Menschen ticken anders als Maschinen“, betont denn auch der Mittelstandsberater Rainer Nollens, Soyen (Oberbayern). „Im Umgang mit ihnen kommt man mit einer Wenn-dann-Logik meist nicht weit.“ Vielmehr sind situationsabhängig völlig verschiedene Verhaltensmuster gefragt. Mal muss die Führungskraft loben, mal tadeln. Mal muss sie Anweisungen geben, mal Ziele vereinbaren. Mal muss sie hart und konsequent sein, mal eher nachgiebig und flexibel. „Und wenn sich ein Verhalten bei Mitarbeiter Mayer bewährt hat, dann bedeutet dies noch lange nicht, dass es bei Mitarbeiter Müller ebenfalls zum Ziel führt.“

Dies zu akzeptieren, fällt vielen Ingenieuren, die eine Führungsfunktion übernehmen, anfangs schwer. Denn sie sind laut Julia Voss „nicht ausreichend für die Vielschichtigkeit menschlichen Handelns sensibilisiert“. Deshalb müssen Unternehmen ihren Nachwuchs gezielt auf die Übernahme einer Führungsposition vorbereiten. Zum Beispiel, indem sie ihm Wissen über bewährte Führungsinstrumente vermitteln.

Das genügt aber nicht, betont Stefan Bald. Die jungen Führungskräfte müssen den Einsatz der Führungsinstrumente auch trainieren – und zwar anhand realer Beispiele aus ihrem (künftigen) Führungsalltag.