Braunschweig. Kein Abitur, kein Studium? Diese Gleichung geht nicht auf. Beruflich Qualifizierte können auch ohne den höchsten Schulabschluss fachbezogen studieren.

Neun Jahre hat Christian-Alexander Dudek nach seiner Ausbildung als Koch gearbeitet. „Aber es gab wenig Geld, die Arbeitszeiten waren schlecht. Ich wollte mehr aus meinem Leben machen“, erzählt er. Heute studiert Dudek an der Technischen Universität Braunschweig Biotechnologie. Und hat Spaß daran.

Das Studium als zweiter Bildungsweg – von dieser Möglichkeit machen seit der Novellierung des niedersächsischen Hochschulgesetzes im Jahr 2010 immer mehr Menschen Gebrauch. An der TU Braunschweig sind dank des Modellprojekts „Offene Hochschule Niedersachsen“ im laufenden Semester 140 Studierende ohne Abitur eingeschrieben.

Zu ihnen gehört auch Jens Mattschull. Der 35-Jährige hat während seines Maurermeister-Lehrgangs von der Möglichkeit eines Studiums gehört. „Der Meisterbrief wurde eher zum Einstellungshindernis als zum Vorteil“, berichtet er. Jetzt studiert er an der TU Bauingenieurwesen im 12. Semester.

Generell sind Meister, staatlich geprüfte Techniker oder staatlich geprüfte Betriebswirte und viele andere Abschlüsse zur Belegung jedes Studiengangs berechtigt, ohne ein Abitur vorweisen zu müssen. Wer über eine mindestens dreijährige Berufsausbildung verfügt und eine anschließende dreijährige Berufspraxis nachweisen kann, darf ein Studium in einem berufsaffinen Bereich aufnehmen. Ist weder die eine noch die andere der beiden Varianten gegeben, bleibt die Chance, eine Zulassungsprüfung abzulegen, deren erfolgreicher Abschluss den Weg zu einem Studium in einem bestimmten Fach ebnet.

Klar ist jedoch auch: Den leichtesten Weg wählen die Studierenden ohne Abitur nicht. Da ist zum einen die zeitliche Beanspruchung. „Ich habe oft bis 3 Uhr nachts gelernt“, erzählt Katrin Scheel. Die 40-Jährige arbeitete nach ihrem Hauptschulabschluss in einem Eltern- und Kinderzentrum, ist Mutter von drei Kindern, hatte aber immer einen Traum: Mathematik studieren.

Den erfüllte sie sich, als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren. Inzwischen arbeitet sie sogar an ihrer Promotion. „Danach werde ich ein Jahr nichts tun“, sagt sie und denkt an die Strapazen zurück.

Auch finanziell ist der Weg für viele eine Belastungsprobe. Jens Mattschull, der seinen sechsjährigen Sohn manchmal mit in die Vorlesung nimmt, erklärt: „Wir leben von dem spärlichen Gehalt meiner Partnerin.“ Ohne Kind wäre es für ihn nicht möglich gewesen, den nachträglichen Studienweg zu beschreiten. „Nur so war ich von den Studiengebühren befreit“, sagt er.

Eine weitere Herausforderung: schulische Defizite ausgleichen und Wissenslücken schließen. Um Studienabbrüchen vorzubeugen, bietet die TU Braunschweig gemeinsam mit der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Niedersachsen Ost und der Volkshochschule Braunschweig vorbereitende Brückenkurse in Mathematik und wissenschaftlichem Arbeiten an. Sie können wahlweise in der vorlesungsfreien Zeit oder semesterbegleitend kostenlos belegt werden. Darüber hinaus gibt es Tutorien in den Bereichen Studienorganisation und Kommunikation, Ziel- und Zeitmanagement, Bibliotheksarbeit, Erfahrungsaustausch, Prüfungssituationen und Dokumentation der Studienerfahrungen und -ergebnisse.

„Ich war zum Glück nicht lange raus. Mir hat einiges gefehlt, aber das habe ich aufgeholt“, erzählt Leandra Panos. Sie hat ihre Ausbildung zur Erzieherin vor rund zwei Jahren abgeschlossen. „Da war ich 20. Ich habe mich noch zu jung gefühlt, um ins Berufsleben einzutreten“, erklärt sie. Jetzt studiert sie Grundschullehramt und freut sich auf ihre erste Klasse.

•Infos an der TU bei Katharina
Maertsch und Marcus Voitel, Mail:
mail-oh@tu-braunschweig.de, Internet: www.tu-braunschweig.de/oh