Braunschweig. Sollte ich im Vertrieb arbeiten? Das hat sich schon manch Programmierer und Entwickler gefragt. Denn im Vertrieb winkt oft eine bessere Bezahlung.

Doch nur wenige Informatiker verfügen neben ihrem IT-Know-how über die Skills, die Vertriebsprofis brauchen. „Unsere Vertriebler müssen die Geschäftsprozesse unserer Kunden verstehen“, sagt Christian Schneider. „Denn ohne dieses Know-how können sie für diese keine passgenauen Problemlösungen entwerfen.“

Ähnlich wie der Geschäftsführer der Schneider & Wulf EDV-Beratung, Babenhausen, äußern sich fast alle IT-Unternehmen, wenn es um die Frage geht: Welche Fähigkeiten brauchen ihre Vertriebsmitarbeiter? Unabhängig davon, ob es sich dabei um mittelständische Systemhäuser oder Konzerne wie die Software AG handelt. Sie betonen übereinstimmend: Ohne eine fundierte Kenntnis der Geschäftsprozesse der Kunden geht heute zumindest im Firmengeschäft fast nichts mehr.

Aus einem simplen Grund, erläutert Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal: „Kein Geschäftsführer entscheidet einfach so ‚Lasst uns ein neues IT-System einführen’. Wenn das Management eines Unternehmens dies tut, dann verfolgt es damit konkrete Ziele.“ Also müssen Vertriebsmitarbeiter den Kunden das Gefühl vermitteln: „Mit unserer Hilfe erreichen Sie Ihr Ziel“.

Dies gelingt reinen ITlern oft nicht. „Zumindest wenn es um das Türen-Öffnen und Interesse-Wecken geht, setzen die meisten Betriebe eher auf Betriebswirte“, betont Stephan Pfisterer, Arbeitsmarkt-Experte beim Branchenverband Bitkom.

Dass viele Unternehmen im Vertrieb primär auf Nicht-ITler und solche „Zwitter“ wie Wirtschaftsinformatiker setzen, hat viele Gründe. Eine Ursache ist laut Oliver Grün, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand, Aachen: Das Informatiker-Bild der Öffentlichkeit ist stark vom „Nerd“ geprägt – also vom blässlichen Sonderling, der am PC über technischen Problemen grübelt und mit seiner Umwelt vorwiegend per Computer kommuniziert. Deshalb entschieden sich eher kommunikative Typen bislang meist gegen ein IT-Studium.

Auch wegen der in der Vergangenheit oft einseitigen Ausrichtung der Informatik-Studiengänge auf die Programmier-Tätigkeit fehlen vielen Informatikern heute zahlreiche Fähigkeiten, die Vertriebler brauchen. Dazu zählt nicht nur die Kenntnis der Geschäftsprozesse in Unternehmen. „Dieses Know-how hat sich manch Informatiker, der heute als Projektmanager arbeitet, im Verlauf seines Berufslebens angeeignet“, betont Berater Kraus. „Dasselbe gilt für ein gewisses betriebswirtschaftliches Wissen.“ Das genüge aber nicht, um im Vertrieb erfolgreich zu sein. Denn um ein Vertriebsprojekt zum Erfolg zu führen, braucht man teils andere Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale als um ein firmeninternes Projekt erfolgreich zu gestalten.

Welche Skills dies sind, beschreibt Prof. Elisabeth Heinemann von der FH Worms. Laut Aussagen der Diplom-Informatikerin muss ein Vertriebler zum Beispiel Niederlagen gut wegstecken können. Nicht umsonst laute ein alter Spruch im Vertrieb: „Ein guter Vertriebler ist, wer durch die Vordertür rausgeschmissen wird und durch die Hintertür wieder hereinkommt.“

Stefan Pfisterer empfiehlt denn auch jungen Informatikern, die sich als Entwickler wohlfühlen, eher nicht, eine Karriere im Vertrieb anzustreben – selbst wenn dort bessere Bezahlung lockt. Eher sollten sie darauf hinarbeiten, eine Teamleiter-Position oder eine Projektmanagement-Funktion zu übernehmen. Denn zumindest in Großunternehmen stehen heute auch Spezialisten attraktive Karrierewege offen.

Und die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten werden noch besser – auch außerhalb des Vertriebs. Davon sind alle befragten Experten überzeugt. Denn gute Informatiker und Entwickler werden in Deutschland zunehmend rar. Deshalb sind viele Unternehmen heute bereits froh, wenn sie ausreichend Mitarbeiter mit dem nötigen IT-Know-how beispielsweise zum Entwickeln ihrer Produkte haben.