Braunschweig. Die Krise der Marktwirtschaft ist offenbar keine Krise der Wirtschaftswissenschaft. Was lernen angehende Banker drei Jahre nach der Lehman-Pleite?

Viele junge Menschen werden den Trend der vergangenen Jahre fortsetzen und sich für ein Jura- oder Wirtschaftsstudium entscheiden. „Der Bereich Finanzen ist bei jungen Menschen noch immer sehr stark gefragt“, bestätigt Alexander Westenbaum, Leiter der Hochschulverwaltung der Cologne Business School (CBS, Köln). Von einem Rückgang der Bewerberzahlen könne keine Rede sein, sagt auch Matthias Robke, Personalleiter der Direktbank ING DiBa in Frankfurt am Main.

Was aber lernen die Banker von morgen an der Universität? Haben sich Studieninhalte nach der Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers verändert? „Einige Universitäten nehmen sich verstärkt nachhaltigen Investments an und haben Ethikkurse eingeführt“, sagt Georg Schürmann, Geschäftsleiter der Frankfurter Triodos-Bank, die sich als sozial-ökologische Alternative zu den klassischen Geldinstituten sieht. Dass aber ein „ganz großer Ruck“ durch die Hochschullandschaft geht, das kann er nicht feststellen.

„Eine neue Ethik hat bis jetzt nicht Einzug gehalten“, sagt Marcel Tyrell. Der Hochschullehrer für Finanzwissenschaften an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen warnt davor, ausbildungsbegleitende Ethikkurse einzuführen, die dann nur eine „Feigenblattfunktion“ haben.

Er beobachtet, dass sich die Vorlesungen und Seminare an den Unis „heute mehr mit Krisenphänomenen beschäftigen: Wodurch werden Krisen ausgelöst, wie spielt sich eine Krisendynamik zwischen Finanzsektor und Realwirtschaft ab - das sind Aspekte, die in Forschung und Lehre viel stärker in den Fokus gerückt sind.“ Außerdem: Wenn sich also Banker verzocken, Banken straucheln und staatliche Hilfe benötigen, diese Fragen der Realität seien nun Gegenstand der Forschung an den Hochschulen.

Die politische Regulierung des Finanzsektors spielt in der akademischen Ausbildung von Bankern heute eine größere Rolle. „Die Finanzbranche hat lange Zeit in der naiven Marktgläubigkeit gelebt, der Markt werde sich schon irgendwie selbst regulieren.“ So sei es ganzen Generationen von Bankern beigebracht worden.

Neben härteren Vorgaben für die Finanzbranche durch die Politik müssten auch die Anreizmodelle und Bonuszahlungen für Banker überdacht werden, sagt der Professor.

Auch diese Diskussion führe er mit seinen Studierenden. Sie müssten lernen, althergebrachte Verhaltensweisen und Spielregeln des Finanzsektors kritisch zu hinterfragen. „Banken müssen dem Kunden ihre Produkte möglichst transparent machen“, sagt Carsten Rogge-Strang, Sprecher des Arbeitgeberverbandes des privaten Bankgewerbes. Solange die Banker und die Kunden sich des Anlagerisikos bewusst seien, spreche nichts gegen risikoreiche Papiere. Hier komme der Beratung und der Sensibilisierung angehender Banker für die Wünsche ihrer Kunden große Bedeutung zu.

Die Entscheidung, ob er risikoreiche Papiere kaufe, müsse der Kunde aber selbst fällen. „Die kann ihm sein Bankberater nicht abnehmen.“epd