Braunschweig. In den ersten Wochen tappen Berufseinsteiger oft ungewollt in Fettnäpfchen, weil im Berufsleben teils andere Benimm-Regeln als im Privatleben gelten.

Klaus Karst dachte: Das darf nicht wahr sein. Beim Öffnen der Bürotür hörte der Inhaber einer Versicherungsagentur in Stuttgart, wie sein neuer Azubi am Telefon sagte: „Herrn Karst können Sie nicht sprechen. Der ist auf dem Klo.“ An sich eine durchaus zutreffende Aussage. Doch tabu im Business-Bereich. Dort lautet die Standardinformation in solchen Situationen: Herr Müller oder Frau Mayer ist gerade nicht im Raum.

Ähnliche Fauxpas‘ begehen (Hoch-)Schulgänger in der Startphase oft. Auch Rainer Flake kann sich noch gut an einen solchen Lapsus erinnern, der ihn fast einen Großauftrag gekostet hätte. Noch heute bekommt der Geschäftsführer der WSFB Beratergruppe Wiesbaden eine Gänsehaut, wenn er an eine Präsentation bei einem Neukunden denkt, zu der er einen Praktikanten mitnahm. Dabei verlief sie spitze – so gut sogar, dass der Firmeninhaber am Schluss sagte: „Wir haben einen Imbiss vorbereitet. Ich lade Sie dazu ein.“ Flake hätte am liebsten einen Freudensprung gemacht. Denn die Einladung zeigte ihm: Das Eis ist gebrochen. Den Auftrag haben wir vermutlich in der Tasche. Doch bevor Flake antworten konnte, erwiderte der Praktikant: „Ich würde lieber nach Hause fahren.“ Flake wäre am liebsten im Boden versunken.

Ähnliche Erfahrungen sammeln gerade Dienstleistungsunternehmen oft. Ihre Personalverantwortlichen registrieren immer wieder: Selbst bei Azubis und Hochschulabsolventen mit einer guten Kinderstube ist man vor „Überraschungen“ nicht gefeit. Dirk Pfister, Dress-Code-Berater aus Mannheim, nennt ein Beispiel: „Ich höre von Führungskräften oft, dass sie jungen Mitarbeitern vor Kundenbesuchen erst mal die Krawatte binden müssen. Oder, dass sie ihnen sagen müssen: Nehmt was zu schreiben mit und macht euch Notizen – allein schon, um dem Kunden zu signalisieren: Ich nehme dich ernst.“

Weil solche Dinge nicht mehr selbstverständlich sind, haben viele Betriebe in ihre Aus- und Weiterbildung das Thema Benimm integriert. So gehören zum Beispiel bei den Finanzdienstleistern Schwäbisch Hall Benimm-Seminare inzwischen zum normalen Ausbildungsprogramm – „um Fauxpas möglichst von Anfang zu vermeiden“, wie Daniela Apel von Schwäbisch Hall betont.

In diesen Seminaren stehen elementare Fragen auf der Agenda – zum Beispiel, wie man sich angemessen kleidet. Ein Thema, das in Unternehmen ohne strikte Kleiderordnung oft zu Irritationen führt. Pfister betont, dass es schwieriger sei, wenn die Vorgabe lautet: „Kleiden Sie sich angemessen“. „Dann können beim Besuch einer Werbeagentur Jeans und Sakko okay sein, und beim Besuch einer Bank ist der Anzug Pflicht.“

Besonders hartnäckig widersetzen sich einem Dress-Code meist Mitarbeiter ohne direkten Kundenkontakt. So kämpft zum Beispiel eine große Software-Schmiede laut Aussagen ihres Personalleiters seit Jahren damit, „dass manche Entwickler, salopp formuliert, mit Badeschlappen und Bademantel zur Arbeit kommen“. Ihre Rechtfertigung: Wir haben keinen Kundenkontakt. Dem entgegnet der Personalleiter: „Stimmt. Aber täglich kommen viele Besucher in unser Haus. Und die formen sich auch anhand des Erscheinungsbilds der Mitarbeiter ein Bild von unserem Unternehmen.“

Auch im täglichen Umgang mit Kollegen gilt es viele „Kleinigkeiten“ zu beachten. Oft ärgern sich ältere Mitarbeiter, wenn junge Kollegen ihre Sachen überall liegen lassen. Oder in Besprechungen unablässig auf ihr Handy schielen. Ein weiteres Konfliktfeld ist das Bitte- und Danke-sagen. Und das Grüßen von Kollegen – zum Beispiel auf dem Flur.

Für das Grüßen nennen selbst die Etikette-Bücher unterschiedliche Regeln. Einige schreiben: Es grüßt stets derjenige, der den anderen als Erstes sieht. Andere beharren auf der klassischen Benimm-Regel: Der Rangniedrigere grüßt den Ranghöheren beziehungsweise der jüngere Mitarbeiter den älteren. Diese Regel gilt noch in den meisten Betrieben – wogegen die Jungen zuweilen rebellieren. Unter anderem, weil sie oft registrieren: Auch manch älterem Kollegen würde der Besuch eines Benimm-Kurses nicht schaden.