Braunschweig. Dumm, frech, faul – so sind die Bewerber um Ausbildungsplätze heute. Diesen Eindruck vermitteln die Aussagen mancher Verbandsvertreter.

Stimmt, im Kopfrechnen sind viele Bewerber etwas schwach“, sagt Markus Vogel. Auch die Ausdruckfähigkeit, insbesondere die schriftliche der Bewerber um Ausbildungsplätze sei im zurückliegenden Jahrzehnt tendenziell gesunken, betont der Leiter des Personalcenters des Frankfurter Bildungsdienstleisters Provadis. Und ihre Konzentrationsfähigkeit? „Auch sie ließ nach.“

Ansonsten möchte Vogel jedoch nicht in das Klagelied mancher Verbands- und Firmenvertreter über die „mangelnde Güte“ der Bewerber von heute einstimmen. Der Diplom-Psychologe sichtet mit seinem Team jährlich über 9000 Bewerbungen von Schulabgängern, um aus ihnen im Auftrag mehrerer Großunternehmen die geeigneten Kandidaten für circa 400 Ausbildungsplätze herauszufiltern. Dabei sammelt er die Erfahrung: Die Bewerber heute sind zwar anders als vor zehn, fünfzehn Jahren. „Das heißt aber nicht, dass sie unterm Strich besser oder schlechter sind.“

Eindeutig besser sind die IT-Kenntnisse der heutigen Schulabgänger und Azubis. Das konstatieren alle befragten Firmenvertreter. So gingen die Berufseinsteiger heute zum Beispiel recht professionell mit solchen Standard-Office-Programmen um. Und in neue Programme arbeiten sie sich „aufgrund ihres besseren IT-Verständnisses deutlich schneller als die Azubis vor zehn Jahren ein“, betont Marion Matter, Ausbildungsleiterin bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. In manchen Bereichen sind die jungen Mitarbeiter sogar fitter als ihre berufserfahrenen Kollegen – zum Beispiel im Umgang mit den Social Media.

Einig sind sich die Befragten auch: Die Fremdsprachenkenntnisse der Auszubildenden heute sind – insgesamt betrachtet – deutlich besser. Und: Die jungen Mitarbeiter sind selbstbewusster als früher. Das ist laut Rudolph Welcker, Geschäftsführer der Weseler Teppich GmbH, nicht nur im Umgang mit Kunden von Vorteil. Auch in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten wirke sich dies positiv aus. Hiltmann dazu: „Früher trauten sich manche Azubis, wenn sie eine Frage hatten, kaum, ihre Vorgesetzten und älteren Kollegen anzusprechen. Heute ist das nicht mehr der Fall.“

Die Kehrseite der Medaille: Die jungen Mitarbeiter hinterfragen auch häufiger „Muss das sein?“. Und wenn ja: „Warum muss das so sein?“. „Womit sie gewiss ab und zu manche ältere Kollegen nerven“, sagt Marion Matter lachend. Als „respektlos“ möchte sie ein solches Verhalten aber nicht interpretieren. „Im Gegenteil! Wir wollen ja Mitarbeiter haben, die mitdenken.“

Dass sich die genannten Unternehmensvertreter fast durchweg positiv über die Azubis von heute äußern, liegt auch daran, dass es sich bei ihnen zumeist um Großunternehmen handelt, bei denen sich viele Schulabgänger bewerben. Folglich können sie bei der Auswahl schärfere Kriterien anlegen als manch Kleinunternehmen. Rudolf Welcker, Geschäftsführer für 100 Mitarbeiter, lässt dieses Argument nur bedingt gelten: „Wie gut meine Mitarbeiter sind, hängt auch davon ab, welche Bedeutung ich dem Thema Personalsuche und -auswahl beimesse.“

Dass sie bei der Personalsuche – auch aufgrund des demografischen Wandels – zunehmend einen langen Atem brauchen, das haben Großunternehmen wie Merck und Schwäbisch Hall schon lange erkannt. Deshalb pflegen sie seit Jahren intensiven Kontakt mit den für sie relevanten Schulen. Denn mittel- bis langfristig läuft die Situation am Arbeitsmarkt darauf hinaus, so Hiltmann, „dass sich die guten Schulabgänger nicht bei uns, sondern wir uns bei ihnen bewerben“.