Braunschweig. Ausbildung oder Studium? Das fragen sich viele Abiturienten. Eine interessante Alternative kann ein duales, von Firmen finanziertes Studium sein.

Duale Studiengänge boomen. 2011 stieg die Zahl der von Unternehmen angebotenen dualen Studienplätze laut Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) um 46 Prozent – auf über 40 000. Und knapp 61 000 junge Männer und Frauen absolvierten im vergangenen Jahr ein solches Studium, bei dem sich Praxisphasen im Betrieb mit Studienphasen an der Hochschule abwechseln.

Diese Entwicklung zeigt laut BIBB-Präsident Prof. Friedrich Hubert Esser „wie sehr duale Studiengänge inzwischen von der Wirtschaft als Möglichkeit wahrgenommen werden, um hoch qualifizierte Mitarbeiter auszubilden“. Sie zeigt aber auch, „wie stark der Wettstreit um Top-Talente inzwischen ist“. Und in diesem Wettstreit haben die Unternehmen die Nase vorn, die Schulabgängern „attraktive Ausbildungsangebote“ unterbreiten.

Dies bestätigt Holger Hiltmann, Leiter kaufmännische Ausbildung beim Pharma- und Chemieunternehmen Merck in Darmstadt. Er weist auf zwei weitere Faktoren hin, die zum Boom der dualen Studiengänge führen. Erstens: Das Qualifikationsniveau der Schulabgänger hat sich erhöht. „Wer früher einen guten Realschulabschluss hatte, macht heute zumindest das Fachabitur“, bringt er die Sache auf den Punkt. „Deshalb erwarten die jungen Leute auch andere Ausbildungsangebote von den Unternehmen.“

Zweitens: Viele Aufgaben in den Betrieben wurden komplexer. „Also brauchen ihre Mitarbeiter mehr Know-how.“ Auch dies führt dazu, dass die Unternehmen ihr duales Studienangebot erhöhen. Fast gleichlautend äußert sich Julia Laas, Leiterin Personalmarketing beim Versicherungskonzern Allianz Deutschland, München, der zur Zeit 295 jungen Männern und Frauen das duale Studium finanziert und 2012 rund 120 neue Studienplätze anbietet.

Dieses Angebot stößt bei den Schulabgängern immer häufiger auf eine positive Resonanz. Unter anderem, weil ihnen ein duales Studium folgenden Vorteil bietet, wie Professor Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), Hannover, erläutert: „Weil die Studierenden bereits während ihres Studiums in Betrieben mitarbeiten, wissen sie, wofür sie sich die Theorie aneignen. Sie können diese unmittelbar in der Praxis anwenden.“

Ein weiteres Plus: Die Absolventen dualer Studiengänge haben zumeist einen Job in der Tasche. Rund 90 Prozent erhalten von ihrem Ausbildungsunternehmen ein Stellenangebot – „auch weil das Finanzieren eines Studienplatzes die Unternehmen oft 100 000 Euro kostet“, wie Hans-Georg Kny betont. Er arbeitet in der Ausbildungsabteilung des Siemens-Konzerns, der Jahr für Jahr circa 750 jungen Männern und Frauen ein duales Studium finanziert.

Viele Abiturienten reizt an den dualen Studiengängen auch das „Gehalt“, das sie während ihres Studiums beziehen. Die Unternehmen überweisen ihren Studenten in der Regel eine Ausbildungsvergütung – meist circa 900 Euro pro Monat. Hinzu kommen oft Zuschüsse zu Miete und Fahrtkosten.

Doch welche Karrierechancen haben deren Absolventen? „Die meisten Unternehmen wollen mit ihren dualen Studienangeboten primär den Nachwuchs für das mittlere Management sichern“, betont FHDW-Präsident Müller-Siebers. „Das schließt aber nicht aus, dass die Absolventen die Karriereleiter weiter nach oben steigen.“

Voraussetzung hierfür: Sie zeigen das erforderliche Können und Engagement. So ist es zum Beispiel bei Merck „durchaus erwünscht und üblich“, dass die Absolventen dualer Studiengänge unmittelbar nach ihrem Studium zwei, drei Jahre ins Ausland gehen. Diesen Auslandseinsatz müssen sie, so Hiltmann, jedoch selbst planen. Das heißt: Ohne ein gewisses Eigenengagement geht nichts. Und nach dem Auslandseinsatz? Dann können sie immer häufiger berufsbegleitend ein Master-Studium absolvieren. Ähnliche Förderkonzepte gibt es bei den Unternehmen Allianz, Siemens und Schwäbisch Hall.

Zum Thema Karrierechancen gibt Marion Matter, verantwortlich für die Ausbildung bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall, auch zu bedenken: Die klassischen Hochschulabsolventen steigen meist erst mit circa 24, 25 Jahren ins Berufsleben ein. Dann arbeiten die Absolventen der dualen Studiengänge schon mehrere Jahre voll im Unternehmen mit. Diesen Vorsprung müssen die „normalen“ Studenten erst einmal einholen. Ähnlich äußert sich Julia Laas von der Allianz. Sie verweist darauf, dass die dualen Studenten aufgrund ihres früheren Einstiegs „auch deutlich früher mit dem Aufbau eines firmeninternen Netzwerks beginnen“.

Doch Vorsicht! Ein duales Studium eignet sich nicht für jeden. Wer Forscher werden möchte, sollte sich eher fürs klassische Studium entscheiden. Dies gilt auch für Abiturienten, „die noch unsicher sind, in welchem Bereich sie später arbeiten möchten“, mahnt FHDW-Präsident Müller-Siebers. „Denn mit der Wahl des Unternehmens geht eine Spezialisierung einher.“

Wer sich für ein duales Studium entscheidet, sollte wegen der Doppelbelastung zudem „hochmotiviert, flexibel und belastbar sein“, erklärt Marion Matter von Schwäbisch Hall – auch weil die Studierenden dualer Studiengänge keine monatelangen Semesterferien, sondern nur sechs Wochen Urlaub pro Jahr haben. Das unterstreicht Holger Hiltmann von Merck. Er verweist darauf, dass die „dualen Studenten“ von ihren drei Studienjahren nur circa eineinhalb Jahre an der Hochschule verbringen. „Deshalb müssen sie zuweilen drei, vier Klausuren in einer Woche schreiben.“ Entsprechend hoch ist ihre Arbeitsbelastung.

Die Auswahl an dualen Studiengängen ist in Deutschland riesengroß. Angeboten werden über 929 Studiengänge. Nähere Informationen finden Interessierte im Internetportal www.ausbildungplus.de des Bundesinstituts für berufliche Bildung.