Nacht für Nacht steht Bäckermeister Josef Meyer in der Backstube seiner Bäckerei in Köln.

Geschickt knetet Bäckermeister Josef Meyer den Brötchenteig auf der mit Mehl bestäubten Arbeitsplatte in seiner Backstube im Keller eines schönen Altbaus im Kölner Agnesviertel. Bis zu acht Mal nimmt er ein Brötchen in die Hand, bevor es in seiner Bäckerei über die Ladentheke wandert.

Rund um den munteren Mann, der eine große weiße Schürze über der traditionellen blau-weiß karierten Bäckerhose trägt, liegen bereits einige Teigklumpen zum Gären unter großen weißen Tüchern auf mehreren Tischen in dem kleinen Vorraum der Backstube. Bis zu 20 Brotlaibe werden wenige Stunden später aus jedem einzelnen Teigklumpen entstanden sein. Geknetet, geformt und gebacken, ganz nach Meyers Motto: "Wir backen noch von Hand – hier läuft nichts vom Band."

Um kurz vor ein Uhr früh beginnen der Bäcker und sein Team Tag für Tag mit der Arbeit. Sie rühren, formen, füllen und verzieren, bis am Morgen die Bäckerei im Erdgeschoss ihre Türen für die Kundschaft öffnet.

Während in dieser Nacht Meyers Tochter, Bäckermeisterin Michaela Koett, schon mal die Äpfel für das Apfel-Dinkel-Brot schält, wiegt Bäckermeister Peter Müller (57) am Tisch daneben die Zutaten für die verschiedenen Teigsorten ab. Die ganze Nacht über behält er den Überblick und weiß genau, wie viele Brote oder Brötchen von welcher Sorte gebacken werden müssen. Seit 17 Jahren ist er schon im Team von Josef Meyer mit dabei.

Auch der Geselle Marcel van der Kuyl arbeitet schon viele Jahre in Meyers Backstube. Nachdem er vor zehn Jahren in dem Familienbetrieb seine Lehre begonnen hatte, ist er bei den Meyers geblieben. In dieser Nacht kümmert sich der 28-Jährige um den Betrieb der großen Öfen und schiebt bereits die ersten Bleche mit Croissants zwischen die glühenden Eisen.

Mittlerweile ist es 2.30 Uhr, und draußen in der Dunkelheit fällt ein beständiger Nieselregen. Seit fast 40 Jahren betreibt Meyer seine Bäckerei in Köln, und mittlerweile hat die Härte des Bäckerlebens auch körperlich Spuren hinterlassen. Manchmal, erzählt er, spüre er schon das Ziehen in der Hüfte und auch in den Beinen.

Doch inzwischen hat der Bäckermeister kräftige Unterstützung durch seine Tochter Michaela, die wie fast alle seine vier Kinder in die Fußstapfen des Vaters getreten ist. Sie soll den Betrieb übernehmen.

Die dreifache Mutter hat als Bäckerei-Fachverkäuferin angefangen. Seit sie in diesem Sommer ihre Meisterprüfung als Bäckermeisterin bestanden hat, ist klar: Spätestens 2012 soll die 32-Jährige im Familienbetrieb Meyer die volle Verantwortung übernehmen.

Bis dahin erwartet die gut gelaunte Blondine aber noch Familienzuwachs. Auch das vierte Kind wird sie nicht davon abhalten können, Nacht für Nacht die Öfen in der Backstube anzuheizen. "Ich stehe mit Leib und Seele hinter der Bäckerei", sagt sie.

Nacht für Nacht entstehen so Hunderte von Brötchen und Broten in der Meyerschen Backstube. Auch die Körner für die Backwaren mahlen der Meister und sein Team jeden Morgen frisch in der großen Mühle im hinteren Teil der Backstube. Meyer ist sich sicher: "Nur so können sich die Geschmacksstoffe im Teig voll entfalten."

Meyer nennt sich "Brotspezialist". Der Titel ziert Laden, Internetseite und Visitenkarte. Vor fast 50 Jahren hat er seine Bäckerlehre begonnen. "Ich wollte immer schon Bäcker werden", erzählt der 62-Jährige.

1963 hatte er seine Ausbildung begonnen und die Entscheidung nie bereut. Fünf Nächte die Woche ist er in der Backstube und kommt auch am Mittag noch einmal in den Laden, um die ofenfrische Pizza zuzubereiten, die er im Angebot hat. Zwei Stunden Schlaf am Stück, zwei bis dreimal am Tag – das genüge ihm, versichert Meyer.

Es werde zwar von Jahr zu Jahr schwerer, sich gegen die Konkurrenz der Großbäckereien zu behaupten, die massenweise Tiefkühlteiglinge auf mechanischen Backstraßen zu billigsten Konditionen produzieren. Doch der Familienbetrieb habe bis jetzt noch alle Durststrecken gemeinsam überstanden.

Der Überlebenskampf des Familienbetriebs ist bei weitem kein Einzelfall. Nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks schließt statistisch gesehen jeden Tag irgendwo im Land eine Bäckerei. Gab es vor rund 50 Jahren noch etwa 55 000 traditionell arbeitende Betriebe in Deutschland, sind es heute noch knapp 14 500. Nur rund ein Viertel der Betriebe ist demnach wie der der Meyers bis heute über die Runden gekommen.

Auch in schweren Zeiten habe die Familie immer zusammengehalten, sagt Bäcker Meyer. Seine Ehefrau Beate hat ihn als Bäckerei-Fachverkäuferin von Anfang an unterstützt, hat fast 30 Jahre lang mit ihm gemeinsam in der Backstube und danach dann hinter der Ladentheke gestanden. Auch die vier Kinder des Bäckerpaares sind quasi in der Backstube aufgewachsen.

Trotz Discounter-Teiglingen, SB-Bäckereien und Fließband-Brötchen blickt der Bäckermeister optimistisch in die Zukunft seines Familienbetriebs, denn er ist sich sicher: "Der Trend geht wieder zurück zu den kleinen Bäckern!" dpa