Frauen verdienen in Deutschland 23 Prozent weniger als Männer – Berufswahl spielt eine Rolle

Deutschland mag die größte Wirtschaftsmacht in Europa sein, in einem Punkt jedoch dümpelt es erbärmlich hinterher: bei der Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern.

Neu ist das nicht, doch die Empörung wächst – gerade weil das Thema seit Jahren bekannt ist und sich trotzdem so gut wie nichts ändert. "Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern hat sich gegenüber dem Stand von vor 15 Jahren kaum verändert, stellt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fest.

Für jede geleistete Stunde Arbeit erhalten Frauen in Deutschland 23 Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Das ist im EU-Vergleich – hier beträgt der Unterschied 17,4 Prozent – ein "unrühmlicher siebtletzter Platz, wie Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) es nennt.

Eine Entwicklung zum Besseren ist nicht zu erkennen: "Die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sind in Deutschland stärker verfestigt als in anderen Ländern, erklärt der IAB-Forscher Hermann Gartner. Alle Länder, in denen die Gehaltslücke 1995 noch überdurchschnittlich hoch gewesen sei, hätten sie bis 2005 verringern können – mit einer Ausnahme: In Deutschland sei sie seit der Jahrtausendwende wieder gewachsen.

Dass Deutschland besonders schlecht dasteht, hat viele Ursachen. Ganz zentral ist allerdings, dass Frauen noch immer die Hauptlast bei der Familienarbeit tragen. Nur etwa 30 Prozent der Mütter mit Kindern unter drei Jahren seien erwerbstätig, jedoch 85 Prozent der Väter, sagt von der Leyen.

Die Zeit, die Eltern für ihre Kinder aufbringen, müsse zwischen Vätern und Müttern gleich verteilt werden.

Zudem habe Deutschland in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie lange im Dornröschenschlaf gelegen. Durch die langen Ausfallzeiten wegen der Kindererziehung kämen Frauen auf weniger Berufsjahre als Männer, so von der Leyen.

Auch spiele die Berufswahl eine große Rolle: Frauen seien in den besser bezahlten Branchen, Berufen und Karrierestufen seltener anzutreffen als Männer, und zusätzlich seien typische Frauenberufe weniger gut bezahlt als typische Männerberufe. So würden Altenpflegerinnen schlechter entlohnt als Gabelstaplerfahrer.

Hier müsse die Politik dafür sorgen, dass Frauen und Mädchen stärker in technisch orientierte Berufe gehen. Vielen Forschern und Frauenverbänden ist gerade das letzte Argument allerdings zu einfach.

"Ich verstehe nicht, warum die Arbeit am Kind schlechter bezahlt wird als die Arbeit am Auto, sagt die Präsidentin des Frauennetzwerks Business and Professional Women (BPW), Dagmar Bischof.

Hinzu kommt: Selbst innerhalb des gleichen Berufs verdienten Frauen laut IAB noch 21 Prozent weniger als die Männer. Und bei gleicher Ausbildung, gleichem Beruf, gleichem Alter und im gleichen Betrieb bleibe immer noch eine Lücke von zwölf Prozent.

Den Grund sehen die Forscher vor allem darin, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer, weniger Überstunden machen. Irgendwann stießen sie dann an die "gläserne Decke, an das Ende ihrer persönlichen Karriereleiter – denn Männer werden der IAB zufolge häufiger Gruppen- und Teamleiter und schon deshalb besser bezahlt. Angesichts der immer besseren Qualifikation von Frauen und dem absehbaren Fachkräftemangel machen inzwischen aber auch die Wirtschaftsverbände Werbung für mehr Lohngerechtigkeit – wenn auch vor allem dort, wo es den Unternehmen nicht weh tut.

Die Arbeitgeber etwa fordern eine bessere Kinderbetreuung. Vor diesem Hintergrund zeigt sich die BPW-Präsidentin einigermaßen optimistisch: "In vielleicht fünf Jahren wird sich in Deutschland etwas in Sachen Lohngerechtigkeit bewegen, schätzt Bischof.