Neben der Verkleidung von Dächern und Wänden sanieren sie auch Schornsteine und wehren sogar Tauben ab

Dass Dachdecker einen guten Gleichgewichtssinn brauchen, ist klar. Zu ihrem Tätigkeitsfeld gehört jedoch mehr als die Arbeit auf dem Dach.

"Man muss dick auftragen – bis kein Licht mehr durchschimmert", sagt Jan Briesemeister. Zwischen den Ziegeln scheint die ohnehin spärliche Sonne kaum noch ins Innere. Briesemeister, mit einem Handbrett und einer Kelle ausgestattet, spachtelt auch den letzten Spalt mit Mörtel zu. Zurzeit arbeitet der Dachdecker-Lehrling auf dem Dachboden eines mehrgeschossigen Wohnhauses in Braunschweig-Querum. Der Zollstock liegt im Türrahmen, mehrere Eimer Mörtel stehen im Raum. Auf einem Hocker liegt eine Biene-Maja-Schallplatte. "Man findet so allerhand beim Ausräumen", sagt der 24-Jährige.

Orkan Kyrill schafft Arbeit für zwei bis drei Monate

Seit dem 20. Januar hat Briesemeister viel zu tun. Am Vortag fegte Orkan Kyrill über die Dächer und richtete viel Schaden an. Doch Kyrill hatte auch sein Gutes – zumindest für die Dachdecker. "Nach dem Sturm haben wir Tag und Nacht gearbeitet. Was für den Kunden negativ war, ist für uns ein wahrer Segen", sagt Hochbauingenieur und Dachdeckermeister H. Wilhelm Schmidt. Dabei hält er die Hände abwehrend vor sich, wie um zu zeigen, dass er sich nicht über das Leid anderer freut.

Doch wenn etwas zu Bruch geht, ist derjenige zufrieden, der es reparieren kann. Nach Kyrill sind viele Häuser sanierungs- und renovierungsbedürftig. Zwei bis drei Monate Mehrbeschäftigung habe das Unwetter seiner Firma beschert, schätzt Schmidt. Und das zu einer Jahreszeit, in der es normalerweise kaum Aufträge gibt: Im Winter ist es einfach zu kalt und zu nass.

Dachdecker arbeiten häufig im Freien. Für Briesemeister war das einer der Gründe, warum er sich für die Ausbildung entschieden hat. Ein Praktikum bei Schmidt überzeugte ihn davon, dass Dachdecker der richtige Beruf für ihn ist. "Als ich das erste Mal auf dem Dach war, hatte ich natürlich wackelige Beine", sagt Briesemeister, "aber nach drei bis vier Monaten hat man sich daran gewöhnt. Man kann sogar Ziegel tragen." Falls doch einmal ein Ausrutscher passiere, gebe es ja noch die "Dachdecker-Fanggerüste" –die haben Netze.

Doch Dachdecker decken nicht nur Dächer. Was viele nicht wissen: Sie müssen auch klempnern, maurern, malern und zimmern. Der Beruf ist vielseitig: Für die Schornsteinsanierung sind die Allround-Handwerker ebenso zuständig wie für die Taubenabwehr. Plastikschienen mit Drahtspitzen hindern die Vögel daran, sich auf den Dächern der Innenstadt niederzulassen.

"Man muss körperlich belastbar sein"

So abwechslungsreich der Beruf ist, so anstrengend ist er. "Wer hier anfängt, muss körperlich belastbar und beweglich sein", sagt Schmidt. Briesemeister, der in seinem dritten und letzten Lehrjahr ist, erfüllt diese Anforderungen. Im Sommer wird er in seiner Abschlussprüfung vor drei Mitgliedern der Dachdecker-Innung zeigen, was er gelernt hat. Neben den praktischen Tests wie Löten und Schieferarbeiten muss er auch unter Beweis stellen, dass er Flächen, Massen und Längen berechnen und technisch zeichnen kann. Die Prüfung beinhalte auch Fragen zum politischen Zeitgeschehen. Warum, sagt Briesemeister achselzuckend, wisse niemand, aber für ihn dürfte auch das kein Problem sein. Dachdecker sind eben Alleskönner.