Die Ausbildung erfordert Geschick, musikalisches Talent und ein gutes Gehör

Klavierspieler gelten als Künstler. Klavierbauer sind in erster Linie Handwerker. Während ihrer Ausbildung hobeln, leimen und hämmern sie. Besonders wichtig aber ist das Gespür für den richtigen Ton – und gute Mathenoten.

"Wir legen kein großes Augenmerk auf den Schulabschluss der Bewerber", sagt Matthias Klingsing, Ausbildungsleiter der Firma Schimmel in Braunschweig. "Aber sie müssen ein ordentliches Verständnis für Physik, Chemie und Mathe mitbringen." Denn das Klavier ist ein Naturprodukt. In einem aufwändigen Verfahren und vielen kleinen Schritten stellen die Klavierbauer das Instrument aus Holz, Filz und Kupfer her. Die Maschinen sorgen für die Präzision. Die Menschen für das Gefühl, für die individuelle Stimmung – und das im doppelten Sinn.

Millimeterarbeit für den richtigen Ton

Mit einem Hammer setzt sich Christian Fromm an den schwarz-lackierten Flügel. Der 19-Jährige ist im dritten Lehrjahr – die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre – und stammt aus einer Klavierbauer-Familie. Sein Opa war schon Klavierbauer, sein Onkel und ein Cousin sind es auch. "Mit dem Stimmhammer werden die Saiten auf die richtige Tonhöhe gebracht", sagt er. Dabei hämmert er nicht, sondern zwickt: Er dreht wie mit einem Schraubenschlüssel an den Metallwirbeln, die die Saiten festhalten. So verändert er die Spannung auf den Saiten und damit ihren Klang. Sein Finger drückt zum Test zart auf eine der 88 Tasten.

"Das Stimmen lernt man nicht von heute auf morgen", sagt Michael Süß, ebenfalls im dritten Lehrjahr, "aber man entwickelt ein gewisses Feeling." Etwa zweieinhalb Stunden brauche der 23-Jährige, um ein Klavier vollständig zu stimmen. Ein absolutes Gehör, also die Fähigkeit, die Höhe eines gespielten Tones ohne technische Hilfsmittel zu bestimmen, sei aber keine Voraussetzung für die Ausbildung.

"Wer sich bei uns bewirbt, sollte vor allem eine Beziehung zur Musik und zu einem Instrument haben", sagt Ausbildungsleiter Klingsing, "das muss nicht unbedingt Klavier sein." Süß spielt seit 14 Jahren Klavier, Fromm spielt Gitarre. Er hat erst im Rahmen der Ausbildung angefangen, Klavierunterricht zu nehmen.

Der Unterricht ist Pflicht. Die Auszubildenden müssen ihn selbst bezahlen. Nehmen sie aber an dem jährlichen Abschlusskonzert der Auszubildenden teil, zahlt die Firma.

"Klavierbauer haben gute Jobaussichten"

"Es ist eine sehr umfangreiche Ausbildung, eine gute Mischung aus Handwerk und Künstlerischem.", sagt Klingsing. Dazu gehöre neben dem Stimmen und der Holz- und Oberflächenbearbeitung auch der regelmäßige Kundenkontakt: Süß und Fromm führen Interessierte durch den Betrieb und erklären detailliert den gesamten Herstellungsprozess hin zum fertigen Instrument.

"Jedes Klavier, jeder Flügel ist ein Unikat", sagen beide fast gleichzeitig, "kein Instrument klingt wie das andere." Um aber die Unterschiede feststellen zu können, muss das Gehör trainiert werden. Auch das soll die Ausbildung leisten.

Zurzeit ist Klingsing dabei, von 50 Bewerberinnen und Bewerbern drei oder vier auszuwählen, die im September ihre Lehre beginnen werden. Wer dann die Abschlussprüfung besteht, habe gute Chancen, übernommen zu werden, sagt er. "Andernfalls suchen wir auch nach Alternativen. Als Klavierbauer hat man gute Aussichten."