“Cross Mentoring“ bietet jungen Führungskräften die Chance, von der Erfahrung anderer zu lernen

Sie hat es als Auszeichnung empfunden, nicht als Hinweis, dass sie noch viel zu lernen habe. "Mentoring gehört zu einer guten Personalentwicklung", sagt Michaela Peisger, Wirtschaftsprüferin bei KPMG.

Die 32-Jährige konnte an einer besonderen Art dieser Nachwuchsförderung teilnehmen: dem Cross-Mentoring. Mentee und Mentor – also Ratsuchender und Ratgebender – kommen dabei aus unterschiedlichen Unternehmen und auch Branchen. Ein wichtiger Aspekt ist der Blick über den Tellerrand, hinein in die andere Unternehmenskultur.

"So können die Mentees vergleichen – und relativieren, wenn es woanders auch nicht besser läuft", sagt Nadja Tschirner von Cross Consult in München. Das Unternehmen organisiert das größte deutsche Cross-Mentoring-Projekt.

Es läuft jetzt im sechsten Jahr; in der aktuellen Runde befinden sich 19 Unternehmen und 34 Mentor-Mentee-Tandems. Großunternehmen wie BMW, Deutsche Bahn und Deutsche Telekom beteiligen sich. Cross-Mentoring richtet sich an jüngere Frauen in der ersten Führungsposition. Die Mentoren sind meistens männlich – weil es in den Führungsetagen wenig Frauen gibt.

Cross Consult veranstaltet ein Rahmenprogramm, damit sich alle Mentees und Mentoren kennenlernen; auch ehemalige. Es gibt Vorträge und Stammtische. In Kamingesprächen steht jeweils ein Tandem im Mittelpunkt.

Für die Teilnahme einer Mentee zahlt ein Unternehmen 1800 Euro; meist pickt es sich eine geeignete Mitarbeiterin aus. Die Mentoren arbeiten ehrenamtlich. Eine Grundregel beim Cross Mentoring lautet: Gegenseitiges Abwerben ist verboten. Zumindest in der aktiven Phase.

Die Commerzbank und Deutsche Bank bieten ebenfalls Cross Mentoring, genau wie die Helmholtzgemeinschaft in ihren technisch und naturwissenschaftlich orientierten Forschungseinrichtungen.

Michaela Peisger bildete ein Tandem mit dem Leiter der Finanzabteilung eines Chemieunternehmens. Die beiden sprachen oft über Führungssituationen. Ein großes Thema für die Mentees. "Ich habe viele Anregungen mitgenommen", sagt die Wirtschaftsprüferin, die zwei- bis zehnköpfige Teams verantwortet, je nach Projekt.

"Mein Mentor führt mit sehr viel Ruhe und Geduld." Eine gute Führungskraft sei nicht immer autoritär, sagt Peisger. Und ergänzt: "Es ist wichtig, sich für die Menschen zu interessieren." Einmal im Monat traf sie sich mit ihrem Ratgeber, sprach über Herausforderungen und
Perspektiven. Großen Wert legte sie auf das persönliche Gespräch: "Wie wirke ich auf jemanden, der mich nicht aus dem Firmenumfeld kennt?"

"Alles läuft auf einer großen Vertrauensbasis", sagt Radmila Eulenstein (33), Teamleiterin im Kunden-Service-Center der Allianz. Ihr gefiel am Cross Mentoring, "dass man sich nicht in fachliche Dinge verstricken kann. Die persönliche Entwicklung stand immer im Vordergrund." Ihr Mentor habe sie in ihrem kooperativen Führungsstil bestärkt.

Sie besprach mit ihm manch schwierige Entscheidung bis ins Detail. Radmila Eulenstein empfand das Projekt als Möglichkeit zum Ideenaustausch, sie konnte ihren Horizont erweitern. "Das strahlt auch ins Private." Selbstsicherheit sei in den Gesprächen ein wiederkehrendes Thema gewesen. "Wir Frauen sollten uns mehr zutrauen, oft denken wir zu lange über etwas nach."

"Kritikgespräche mit Mitarbeitern führt keiner gerne", weiß auch Diana Deußer (35), Gruppenleiterin im Vertriebs- und Marketingcontrolling bei der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH.

Ihr Mentor gab ihr nicht nur Tipps, sondern erzählte, wie er in ähnlichen Situationen reagiert hat. "Er hat seine berufliche Vergangenheit nochmals durchlebt", berichtet sie. Sie gewann die Einsicht, dass es nichts nutzt, "es jedem Recht machen zu wollen."

Radmila Eulenstein, Michaela Peisger und Diana Deußer haben ihr Mentoringjahr beendet. Doch nur offiziell. Die drei Führungskräfte treffen sich weiter mit ihren Mentoren, knüpfen an ihrem beruflichen Netzwerk und können sich vorstellen, später selbst Mentorin zu sein; damit der weibliche Nachwuchs mehr weibliche Vorbilder hat.