Die achtjährige Lena will später Zirkusartistin werden.

Dem Zirkus wohnt ein Zauber inne. Auch in Zeiten des Internets und Computerspielens hat das Live-Spektakel im Zelt nichts von seiner Faszination für Kinder verloren.

Zumindest für Lena Lichtenthäler nicht. Die Achtjährige schaut dem bunten Treiben aber nicht nur gerne zu, sie will selbst in die Manege, sie will Zirkusartistin werden. Das weiß sie, seit sie im vergangenen Jahr beim Kinder-Mitmach-Zirkus Jonny Cassely als Bodenakrobatin auftrat. Auch in diesen Sommerferien war die Viertklässlerin wieder dabei. "Man ist immer in Bewegung, das finde ich toll?, erzählt Lena. Sie könne sich auch gut vorstellen, das ganze Jahr über mit dem Zirkus von Ort zu Ort zu fahren.

40 Städte bereisen die Künstler des Zirkus Busch-Roland allein in diesem Jahr auf ihrer zehnmonatigen Tournee durch Deutschland. Etwa 12 000 Kilometer legen sie insgesamt zurück.

"Der Caravan ist mein Zuhause?, sagt Artistin Sandra Kovatchevi. Die 30-jährige Tschechin zieht das rollende Heim ganz klar einem festen Wohnsitz vor. Sie ist in einer Zirkusfamilie groß geworden.

Ihren Mann David hat sie beim Zirkus kennengelernt, ihr zweieinhalbjähriger Sohn schaut den beiden heute begeistert bei den Proben zu. Kovatchevi schwingt mit ihrem Mann am Washington-Trapez in schwindelerregender Höhe. Da bleibt einem kurz das Herz stehen, wenn die beiden – völlig ungesichert – durch die Luft wirbeln und dabei gleichzeitig eine unglaublich gefühlvolle Liebesgeschichte erzählen. "Wer da oben arbeitet, darf keine Angst haben?, weiß die Artistin.

Als die achtjährige Lena am Hochseil in 2,50 Meter Höhe trainierte, sei ihr schon ziemlich mulmig zumute gewesen. Aber wenn man sie am eigenen Trapez in ihrem Zimmer beobachtet oder bei ihren Touren auf dem Einrad, dann kann man sich kaum vorstellen, dass sie überhaupt vor irgend etwas Angst hat.

Der Alltag im Zirkus ist anstrengend. Trainiert wird jeden Tag. Obwohl gar nicht so viel Zeit dafür bleibt. Zwei Shows absolvieren Sandra Kovatchevi und ihre Kollegin Eliane Biasini täglich. "Dazwischen bleiben höchstens 20 Minuten Pause?, so die 20-jährige Eliane. Auch sie ist im Zirkus groß geworden und kann sich überhaupt keine andere Arbeit vorstellen.

Obwohl das Leben als Zirkuskünstlerin nicht immer einfach ist. "Wenn wenig Leute kommen und schlechtes Wetter ist, kann es schon frustrierend sein?, erzählt Kovatchevi.

Mit leeren Zuschauerplätzen hat die Branche insgesamt zu kämpfen. Durchhaltevermögen sei deshalb auch eine Eigenschaft, die ein Zirkusartist mitbringen müsse, erklärt Jochen Träger. Der Tierlehrer wurde in der ehemaligen DDR ausgebildet. "Das war ein normaler, sozial abgesicherter Job?, schildert der 41-Jährige.

Heute ist es nicht mehr so einfach. Eine einzige Artistenschule gibt es in Deutschland, in Berlin. Viele lassen sich deshalb privat schulen oder gehen ins Ausland. "Es ist viel Arbeit, ein Wechselspiel zwischen Glanz und Dreck?, so Träger.

Im Zirkus muss jeder selbstständig arbeiten, seine Requisiten und seinen Wohnwagen mitbringen. Mit ihren vorab erarbeiteten Darbietungen bewerben sich die selbstständig tätigen Künstler bei den Zirkussen um ein Engagement. Ihre Verträge handeln sie immer wieder neu aus.

Jochen Träger hat sich seinen Kindheitstraum erfüllt. Ihn faszinierten diese Leute, die vor ihren Wagen saßen und Kaffee tranken. Heute ist er mit ganzem Herzen Zirkuskünstler.

Lena hat es wohl auch im Blut.