Die Gesellschaft altert. Viele Seniorenheime suchen Pflegekräfte. Das bietet auch jenen Chancen, die sich weiterbilden wollen.

Im Alter von 40 bis 50 Jahren nochmal die Schulbank zu drücken, ist ungewohnt. Silke Kockisch wollte es unbedingt. Die Altenhelferin lässt sich im Zuge des Projekts "WeGeBau" zur examinierten Pflegekraft weiterbilden.

"Als einfache Pflegehelferin hat man einfach weniger Möglichkeiten", sagt Silke Kockisch. Viele Tätigkeiten dürften nur von examinierten Kräften durchgeführt werden. Verbände anlegen, Medikamente verabreichen, der gesamte Bereich der Behandlungspflege – all das fällt nicht in die Kompetenz des Pflegehelfers. "Ich wollte mich jetzt einfach selbst weiterentwickeln", sagt die Wolfenbüttelerin.

15 Jahre lang hatte Kockisch für ihren Mann als Bürokraft gearbeitet. Letztes Jahr der Umbruch. Sie ließ sich in einem Ausbildungskurs des Deutschen Roten Kreuzes zur Pflegehelferin ausbilden. Seit Anfang des Jahres arbeitet sie für das Curanum Wohnstift im Braunschweiger Stadtteil Stöckheim.

Ziemlich bald darauf stieß sie Anfang des Jahres während einer Altenpflege-Messe auf das Weiterbildungsangebot der Arbeitsgemeinschaft (Arge). Das Projekt "WeGeBau" stellt mithilfe von Mitteln aus dem Konjunkturprogramm II die Förderung von Geringqualifizierten in den Mittelpunkt. Der Projektname ist die Abkürzung für "Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen".

"Der Klassiker bei diesem Programm sind Menschen, die gar keinen Abschluss haben oder so lange aus ihrem Beruf raus sind, dass sie schon wieder als Ungelernte gelten", beschreibt Timo Kobbe, Weiterbildungsberater bei der Braunschweiger Arbeitsagentur, die Zielgruppe. Die Maßnahmekosten trägt die Arge und steuert auch einen prozentualen Anteil zum Gehalt der weiterzubildenden Personen bei.

Drei Jahre lang wechseln sich für die Teilnehmer Theorie- und Praxisphasen ab. Silke Kockisch ist seit August dabei. Sie hatte selbst die Initiative ergriffen und bei ihrem Arbeitgeber angefragt, ob die Möglichkeit auf eine Teilnahme an der Maßnahme bestehe. Es klappte.

So eignet sie sich gerade in einer bis Anfang Dezember dauernden Theoriephase Wissen an. Jeden Tag büffelt sie sieben Stunden an der DRK-Altenpflegeschule in der Hochstraße. Auf dem Stundenplan stehen praxisbezogene Fächer, aber auch Deutsch, Religion oder Englisch. In Fächern wie Religion werden Schwerpunkte auf Themen wie den Umgang mit Patienten und Angehörigen anderen Glaubens oder ethische Aspekte gelegt.

In den Praxisphasen verrichtet sie in der gerontopsychiatrischen Abteilung des Wohnstifts ihren Dienst. "In dem Bereich macht man viel Biographie- und Angehörigenarbeit. Das gefällt mir sehr gut", erzählt sie. Auf ihrer Station gebe es auch Risikobewohner mit Erkrankungen, Schmerzen oder einer erhöhten Sturzgefahr. "Die Ansprüche, die an Pflegekräfte gestellt werden, sind hoch", sagt Arne Göttner, Einrichtungsleiter des Wohnstifts, unmissverständlich.

So belastend und anstrengend die Arbeit manchmal auch sein kann – sie bietet gute Perspektiven für Auszubildende und Menschen, die sich weiterbilden wollen. Die demographische Entwicklung führt in eine immer älter werdende Gesellschaft. Damit wächst auch die Anzahl der Pflegebedürftigen. Pflegekräfte werden gesucht. Wenn ein Wohnstift eröffnet wird, müssen diese teilweise von anderen Einrichtungen abgeworben werden.

"Es gibt so gut wie keine arbeitslos gemeldeten examinierten Kräfte", bestätigt Wilfried Propp vom Arbeitgeberteam der Braunschweiger Arbeitsagentur. Kollege Timo Kobbe unterstreicht die damit verbundenen Jobperspektiven: "Die Altenpflege ist in dieser Hinsicht der zukunftsträchtigste Bereich, den ich kenne. Wenn ich mir Arbeitsplatz und Arbeitgeber auswählen kann, dann nähern wir uns etwas übertrieben gesagt der Zeit des Wirtschaftswunders in den 60er Jahren."

Alles andere als schlechte Aussichten für Silke Kockisch, die als eine von 20 Teilnehmern aus der Region noch bis Mitte 2013 Tag für Tag dazulernt. Sie ist sich sicher, dass sie der durch WeGeBau geebnete Weg in die richtige Richtung führt. "Ich habe schon von vielen Seiten bestätigt bekommen, dass ich für den Job gut geeignet bin. Vielleicht habe ich damals einfach den falschen Beruf gelernt", sagt sie.