Viele Deutsche verdienen weniger als vor 20 Jahren – Ärzte liegen trotz hoher Einbußen in der Einkommensrangliste ganz vorn.

In jedem zweiten der 100 gängigsten Berufe in Deutschland verdienen die Beschäftigten unterm Strich weniger als 1990. Das ist das Ergebnis des großen Einkommensreports, den das Hamburger Magazin "Stern" präsentiert.

Die Zeitschrift hatte das Hamburger Institut Statista mit einem umfassenden Einkommensvergleich beauftragt, der den Bruttoverdienst von vollbeschäftigten Arbeitern und Angestellten, Beamten und Selbstständigen aus dem Jahr 1990 dem Einkommen von 2008 gegenüber stellt.

Inflation frisst Verdienstzuwächse auf

In dem Report wurde erstmals die Inflation berücksichtigt, die im Vergleichszeitraum insgesamt 47 Prozent betrug. Diese Geldentwertung führte dazu, dass trotz nominaler Einkommensverbesserung in vielen Berufen unterm Strich weniger verdient wird als 1990.

Nach der Berechnung ist beispielsweise das Einkommen von Werbefachleuten, Informatikern und Zahntechnikern um mehr als 30 Prozent gesunken. Besonders dramatisch ist der Verlust aber bei Ärzten: Mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 6400 Euro im Jahr 2008 sind sie zwar noch immer die Top-Verdiener.

Doch die Gesundheitsreform und die niedrigen Einstiegsgehälter bei den Berufsanfängern bescherten ihnen im Vergleich zu 1990 ein reales Minus von 50 Prozent. Auf der Gewinnerseite stehen unter anderem Makler, Verwaltungsfachleute sowie Bankkaufleute und Anlageberater.

Die wichtigste Grundlage für den Einkommensreport sind die Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP), das zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gehört. Das SOEP befragt seit 1984 jedes Jahr mehr als 20 000 Personen in Deutschland, unter anderem zu deren Einkommen. So ermittelt das SOEP nicht nur Tarifzahlungen, sondern, was bei den Haushalten wirklich ankommt. Zudem hat Statista die Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung zur Entwicklung der Tarifverträge und Daten des Statistischen Bundesamtes zur Einkommensentwicklung herangezogen.

Der öffentliche Dienst und Führungskräfte legen zu

Die Ergebnisse des "Stern"-Gehaltsreports legen bemerkenswerte Trends offen: So konnten Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst ihr Einkommen deutlich steigern – auch nach Abzug der Preissteigerung. Mit Blick auf die Hierarchie im Betrieb zeigt sich, dass sich vor allem Angestellte mit Führungsaufgaben verbesserten. Ihr Bruttoeinkommen wuchs inflationsbereinigt um 18 Prozent.

Auch der Vergleich zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern zeigt Überraschendes: Die über 50-Jährigen verdienen im Schnitt brutto 3310 Euro im Monat und damit nicht nur 500 Euro mehr als ihre jüngeren Kollegen. Die Älteren konnten auch ihr Einkommen deutlich stärker steigern und zudem den Kaufkraftverlust der letzten Jahre mehr als ausgleichen, was den jüngeren Beschäftigten in dem Maße nicht gelang.

Bemerkenswert ist schließlich die Entwicklung der Sonderzahlungen: Immer weniger Arbeitnehmer bekommen Weihnachts- und Urlaubsgeld oder ein 13. Monatsgehalt. Dafür greifen die Arbeitnehmer öfter zum Instrument der Gewinnbeteiligung. Die Beschäftigten sind also zunehmend vom Erfolg des Unternehmens abhängig. Wenn es gut wirtschaftet, gibt es mehr Geld. In Krisenzeiten – wie jetzt – fallen die Prämien mager oder ganz aus.