Der Beruf der Woche: Mittelständische Betriebe haben eine andere Kultur als börsennotierte Konzerne. Das spüren ihre Mitarbeiter auch beim Thema Weiterbildung.

Ist jedes mittelständische Unternehmen ein Klein- oder Mittelbetrieb? Nein! Sonst könnte sich etwa die Stihl-Unternehmensgruppe in Waiblingen nicht als mittelständisches Unternehmen bezeichnen. Denn sie beschäftigt mehr als 11000 Mitarbeiter – weltweit.

Das Beispiel zeigt laut Rainer Nollens, Geschäftsführer der Mittelstandsberatung Nollens, Dessel & Kollegen im oberbayrischen Soyen: Ob sich Unternehmen mittelständisch nennen, hängt nicht allein an ihrer Mitarbeiterzahl. "Meist wollen sie hiermit auf ihre spezielle Tradition, Kultur und Struktur verweisen." Anders ist dies in Arbeitsmarkt-Untersuchungen. Darin meint "Mittelstand" in der Regel Klein- und Mittelunternehmen (KMU) mit weniger als 500 Mitarbeitern.

Wenn es um das Personalmanagement geht, "kommt man mit dem Begriff mittelständisch’ allein nicht weit", sagt Julia Voss, Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Voss+Partner in Hamburg. Daher wird in der Wissenschaft meist ein Mittelstandsbegriff gebraucht, der auch das Kriterium "Einheit von Leitung und Eigentum" umfasst.

Hiervon spricht man, wenn die Eigentümer das Unternehmen führen. Dies ist auch bei vielen Großunternehmen in Familienbesitz der Fall. "Deshalb verstehen sie sich als mittelständische Unternehmen", sagt Voss.

Aus der Einheit von Leitung und Eigentum erklären sich laut Hubert Hölzl, Führungskräftetrainer aus Lindau, viele Vor- und Nachteile mittelständischer Betriebe. Wegen der zentralen Stellung der Eigentümerunternehmer klagen ihre Mitarbeiter oft: Der Alte sitzt wie eine Spinne im Netz. "Doch aus demselben Grund loben andere, dass es in ihrem Betrieb noch eine Leitung gebe, die sich nicht nur für das eigene Fortkommen interessiert", betont Hölzl.

Dass mittelständische Unternehmen eine andere Kultur als börsennotierte Konzerne haben, belegen zahlreiche Untersuchungen. Trotzdem gilt: Mittelständler ist nicht gleich Mittelständler – gerade bei der Personalarbeit. So arbeiten zum Beispiel in den mittelständischen Betrieben mit 150 bis 500 Mitarbeitern weniger als ein Prozent der Mitarbeiter hauptamtlich im Personalbereich. Bei den größeren sind es im Schnitt vier Mal so viele. Und nur 38 Prozent der kleineren Mittelständler haben einen hauptamtlichen Personalleiter; bei den Großen mit mehr als 500 Mitarbeitern sind dies 72 Prozent.

Betriebe mit weniger als 500 Mitarbeitern haben laut Mittelstandsberater Nollens typische Stärken. Sie sind zum Beispiel meist sehr kundenorientiert. Nollens: "Als Nischenanbieter sind sie es gewohnt, Service zu erbringen und kleine Serien zu produzieren." Ein weiteres Plus: Die Arbeitsteilung war in ihnen nie extrem ausgeprägt, und die Mitarbeiter sind es gewohnt, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren.

Dem stehen einige Schwächen gegenüber: Vielen KMU fehlt eine systematische Organisation. Und: Weiterbildung sowie Personalentwicklung beschränken sich häufig auf das Management.

Selbst in ausbildungsaktiven Betrieben wird oft wenig für die Weiterbildung des Fach- und Führungspersonals getan. Dies gilt speziell für Kleinbetriebe. Ihre Inhaber, kritisiert Hölzl, sind häufig der Auffassung: Für Weiterbildung haben wir keine Zeit. Sie beschränkt sich oft auf den Besuch von Schulungsmaßnahmen der Lieferanten. Untersuchungen zeigen zudem: Nur circa ein Drittel der KMU planen ihre Weiterbildung: Sie erfolgt weitgehend ad hoc.

Eine Ursache hierfür liegt im Fehlen von Spezialisten. Eine weitere sieht Rainer Flake darin, dass viele der Personalleiter, die auch für die Weiterbildung zuständig sind, ein zu breites Aufgabenfeld haben. "Deshalb haben sie für ein strategisches Arbeiten kaum Zeit."

Dieses behalten sich in vielen KMU ohnehin die "Eigentümerunternehmer" vor. Sie betrachten das Beantworten der personalpolitischen Grundsatzfragen, wozu auch die Personalentwicklung und Entlohnung zählen, häufig als ihre originäre Aufgabe. Folglich beschränkt sich die Kompetenz der Personaler oft auf operative Aufgaben.

Mit dem Thema Weiterbildung befassen sich Betriebe laut Mittelstandsberater Rainer Nollens oft erst, wenn ein akutes "Betriebsproblem" wie zum Beispiel mangelnde Qualität oder eine hohe Mitarbeiterfluktuation, sie dazu zwingt.