Wer Angehörige pflegt, steht meist vor der Frage: Wie kann ich das mit meinem Beruf vereinbaren? In diesem Fall ist auch der Arbeitgeber gefragt.

Die Nachricht war ein Schock für Monika Hübner. Es ging um ihren Vater. Krebs. Die besiegt geglaubte Krankheit war erneut ausgebrochen. Besonders erschütternd an der Diagnose war die Prognose: Der 67-Jährige wird voraussichtlich nur noch acht Monate leben. Nach den ersten Tränen beschloss die 41-jährige Informatikerin, ihren verwitweten Vater in der verbleibenden Zeit zu betreuen und zu pflegen.

Aber ließ sich das überhaupt mit dem Job vereinbaren? Ja! Denn ihr Arbeitgeber, ein Automaten-Hersteller, zeigte für ihre Situation viel Verständnis. Er schlug Hübner vor, ihre Vollzeitstelle vorübergehend um ein Drittel zu reduzieren und zudem ihre starren Arbeitszeiten gegen ein Arbeitszeitkonto einzutauschen.

Eine solche Vereinbarung findet Stefan Becker, Geschäftsführer von "berufundfamilie Service", einer Initiative der Hertie-Stiftung, ideal. "Es ermöglicht eine hohe Flexibilität."

Becker beobachtet ein Umdenken bei Unternehmen: "Wer heute beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur an Kinderbetreuung denkt, der denkt zu kurz." Denn immer mehr Erwerbstätige geraten in die Situation, dass sie betagte oder kranke Angehörige betreuen müssen oder möchten.

Hauptursache: Die Bevölkerung altert und damit auch die Belegschaften der Unternehmen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schätzt, dass im Jahr 2020 rund 37 Prozent der Erwerbstätigen über 50 Jahre alt sind; heute sind es 29 Prozent.

"Arbeitnehmer über 50 müssen in der Regel keine Kleinkinder mehr betreuen", sagt Jürgen Ley, Leiter des Personalservice bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. "Sie sehen sich aber oft mit einer häufig noch belastenderen Aufgabe konfrontiert: der Betreuung und Pflege von Angehörigen." Schnell schlage die Herausforderung um in Überforderung.

Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Er verabschiedete 2008 das Pflegezeitgesetz. Seitdem stehen jedem Arbeitnehmer jährlich bis zu zehn Tage unbezahlter Extra-Urlaub für die Pflege von Angehörigen zu, erläutert Michael Lodzik, Darmstädter Fachanwalt für Arbeitsrecht. In Betrieben mit mindestens 15 Beschäftigten können sich Mitarbeiter zudem bis zu sechs Monate unbezahlt freistellen lassen.

Die Praxis zeigt aber: Nur wenige Arbeitnehmer machen davon Gebrauch – auch weil das Pflegezeitgesetz kaum bekannt ist. Viele trauen sich zudem nicht, ihrem Arbeitgeber zu sagen: Chef, ich bleibe die nächsten Monate zuhause. Sie befürchten berufliche Nachteile und den Verdienstausfall.

Laut Statistischem Bundesamt werden derzeit in Deutschland mehr als eine Million Menschen von ihren Angehörigen gepflegt. Und von diesen Pflegepersonen sind zwei Drittel im erwerbsfähigen Alter. Sie müssen sich entscheiden: Entweder nicht arbeiten oder versuchen, die Pflege mit dem Job zu vereinbaren.

Letzteres ist oft schwer. Denn ein Schlaganfall kündigt sich nicht Monate im Voraus an. So ist es auch mit Unfällen. Daher wirft ein solches Ereignis oft die Lebensplanung um. Hinzu kommt: Neben der Dauer ist oft auch der Verlauf einer Krankheit nicht vorhersehbar – zum Beispiel bei Multipler Sklerose. Und häufig schwankt der Pflegebedarf: Manche Krankheiten verlaufen in Schüben, Aufenthalte zu Hause und im Krankenhaus wechseln sich ab. "Entsprechend flexibel müssen pflegende Personen sein", betont Ley.

"Hier haben Großunternehmen andere Möglichkeiten als Kleinbetriebe", betont Stefan Becker. Kleinunternehmen können Personalausfälle schwer kompensieren. Für Großunternehmen ist das einfacher.

Becker nennt als Beispiel den Chemiekonzern BASF. Er bietet seinen Mitarbeitern eine breite Palette von Unterstützungsmaßnahmen – von Kursen zur Krankenpflege bis hin zu einer individuellen Beratung. Bei Bedarf können Mitarbeiter zudem bis zu zwei Jahre zuhause bleiben. Und bei Schwäbisch Hall? Im Einzelfall bis zu vier Jahre.

Pflege und Beruf vereinbaren – für Monika Hübner ist dies ein Kampf und Krampf. Ihr krebskranker Vater wohnt bei ihr im Haus. Täglich schaut ein ambulanter Pflegedienst nach ihm. Ihr Mann greift ihr unterstützend unter die Arme. Trotzdem hat Monika Hübner nie Feierabend. Irgendetwas ist immer noch zu tun.

"Oft habe ich das Gefühl: Ich packe das nicht mehr", gesteht sie. Trotzdem ist die Informatikerin froh, dass sie parallel zur Pflege Teilzeit arbeitet. "Denn so sehe ich auch mal etwas anderes. Wenn ich nur zuhause wäre, würde ich depressiv. Das wäre auch für meinen Vater nicht gut."