Altenpflegeausbildung zwischen Pflegenotstand und Traumberuf

Der erste Tag im Reha-Zentrum für Alte und Schwerbehinderte war der Schock seines Lebens: "Ich wusste damals nicht, wie ich das neun Monate lang aushalten sollte." Daniel Ahrenberg aus Wismar hatte gerade Verkäufer gelernt und sollte jetzt im Reha-Zentrum im Nachbarort seinen Zivildienst leisten.

Mit Alten und Kranken hatte er noch nie zu tun gehabt. Und er hatte das zunächst auch für die Zukunft nicht vor. Heute macht der 21-Jährige eine Ausbildung zum Pflegeassistenten und anschließend zum Altenpfleger: "Wenn ich alten Menschen helfen kann, habe ich das Gefühl, nützlich zu sein."

Nach dem ersten Schock habe er schnell gemerkt, dass ihm der Umgang mit Senioren liege und er in diesen Beruf wechseln wolle, sagt Ahrenberg: "Ich habe während der neun Monate nicht einen Tag gezweifelt, dass es die richtige Entscheidung ist."

So wie er lernen an der Berufsfachschule Altenpflege des Diakoniewerks Osnabrück derzeit 185 Pflegeassistenten und Altenpflegeschüler. Fast in jedem Jahr müsse sie Bewerber abweisen, sagt Schulleiterin Evelyn Lukas-Nülle.

Nicht, weil die Schule zu wenig Plätze habe, sondern weil die Einrichtungen zu wenig Geld hätten, um Praxisplätze zur Verfügung zu stellen. In Niedersachsen müssten die Einrichtungen die Schüler anstellen und bezahlen.

In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Regelungen, weil die Finanzierung der Altenpflege-Ausbildung nicht bundeseinheitlich geregelt ist. Gleichzeitig gehen den Heimen und ambulanten Diensten die Fachkräfte aus. Nach Angaben der Diakonie waren im Juli bundesweit 14 791 offene Stellen gemeldet, fast 50 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Immer mehr Menschen in Deutschland seien täglich auf Pflege und Betreuung angewiesen, derzeit mehr als 2,2 Millionen. Die Diakonie macht zurzeit mit einer bundesweiten und einer landesweiten Kampagne in Niedersachsen auf die Mängel in der Altenpflege aufmerksam. Dabei werden Politiker anlässlich der Bundestagswahl dazu aufgefordert, für eine leistungsgerechte Vergütung, eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Der Pflegeberuf sei vielen jungen Menschen aufgrund der schlechten Bezahlung nicht attraktiv genug, sagt der hannoversche Diakoniepräsident Christoph Künkel. Diese Aussicht hat Alexander Ackermann bislang nicht abgeschreckt. Der 22-Jährige ist im zweiten Jahr an der Altenpflegeschule in Osnabrück und findet Altenpfleger sei definitiv ein Beruf mit Zukunft.

Die Desillusionierung komme häufig zum Ende der Ausbildung, sagt Lukas-Nülle. Aufgrund der Arbeit in den Einrichtungen lernten die Schüler die Arbeitsbedingungen und die Schwierigkeiten bei der Suche nach einer späteren Vollzeitstelle hautnah kennen. "Es gibt immer wieder welche, die dann abbrechen."

Vor allem der Mangel an Vollzeitstellen sei ein Problem. Teilzeitstellen gebe es genügend, aber von deren Bezahlung könne niemand leben. Alexander Ackermann ficht das alles nicht an. Ihn reizen vor allem die Arbeit mit Demenzkranken und die vielfältigen Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten.

Das sei in der Tat ein großes Pfund, mit dem der Beruf aufwarten könne, sagt Lukas-Nülle. Man könne schnell zum Abteilungsleiter aufsteigen, sich zur Hygienefachkraft weiterbilden oder studieren. Allein die in Niedersachsen neue und bundesweit einzigartige Ausbildung zum Pflegeassistenten ermögliche erstmals Hauptschulabsolventen einen Einstieg in diesen Berufszweig.

Die zweijährige Ausbildung fasse die Grundlagen der Pflegehilfe-Berufe zusammen und biete die Möglichkeit, eine Kranken- oder Altenpflegeausbildung draufzusatteln. Diese neuen Chancen seien möglicherweise auch der Grund, weshalb sich in den vergangenen Jahren immer mehr Männer für den Beruf entschieden hätten.

"Früher waren das Exoten, heute liegt ihr Anteil bei etwa einem Drittel", sagt Lukas-Nülle. Die Ausbildung passe mittlerweile nicht nur besser auf die Männer, sondern auch auf Umschüler und Mütter mit kleinen Kindern als noch vor wenigen Jahren.

Eine von ihnen ist Jana Behrens. Die 27-Jährige ist alleinerziehende Mutter einer vierjährigen Tochter. Sie absolviert eine Teilzeitausbildung über vier Jahre und hat bereits ein Praktikum im Altenheim gemacht: "Mir ist noch die Unterhaltung mit einer alten Frau im Gedächtnis, die mir über ihre Kriegserlebnisse erzählte. Da wurde mir richtig warm ums Herz." epd