Zehn Jahre nach der Bologna-Erklärung gibt es noch immer viel Kritik an der Bachelor-Ausbildung.

Im Studentencafé "Kauderwelsch" der Freien Universität Berlin tobt eine heftige Debatte: "Ich bin bitter enttäuscht von meinem Bachelor-Studium. Ich lerne nur noch auswendig, und denke kaum noch selbst", sagt eine Studentin mit rot gelocktem Haar.

"Mir aber gefällt das neue System", entgegnet eine blonde junge Frau. Der Ablauf sei gut vorstrukturiert, und der Abschluss gehe schnell. Die Diskussion wird nicht nur auf dem Campus in Berlin geführt. Seit der Bologna-Erklärung vor zehn Jahren haben die neu in Deutschland eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master viele Befürworter – und ebenso viele Kritiker. Damals, im Juni 1999, vereinbarten in der norditalienischen Stadt 30 europäische Staaten, bis 2010 ihre Studiengänge umzustellen.

Ziel ist ein einheitliches europäisches Hochschulwesen. In Deutschland beginnen in diesem Wintersemester die letzten Diplom- und Magisterstudenten. Die Freie Universität in Berlin gilt als vorbildlich, da sie sehr schnell die Hochschulreform umsetzte.

Tillmann Kalkhoff, der Geschichte und Englisch studiert, kritisiert: "Es wurden viele Studienordnungen im Nachhinein noch geändert, so dass Studenten Kurse, die sie gar nicht brauchten, schon studiert hatten. Das passiert eben, wenn man so was Hoppla-Hopp macht."

Katharina Fürstenberg, die ihren Bachelor auf Lehramt in den Fächern Französisch und Sozialkunde beendet hat, zeigt Verständnis. Es sei doch klar, dass erst mal Chaos entsteht, wenn riesige Bildungseinrichtungen wie Universitäten komplett ihre Studienpläne änderten.

Zudem habe ihr der Bachelor mit seinen vielen Zwischenprüfungen geholfen, diszipliniert zu arbeiten. Eine große Diplomprüfung zum Abschluss vieler Semester wäre nichts für sie gewesen. Katharina plant nun, nach ihrer dreijährigen Bachelor-Ausbildung weitere zwei Jahre für den Master anzuhängen. Der ist sogar notwendig, um sie für das Lehramt zu qualifizieren.

"Es wäre eine Katastrophe, wenn ich den Platz nicht kriegte", sagt sie. Doch ihre Noten sind gut, und der Studienplatz so ziemlich sicher. Allerdings ist klar, dass nicht alle Bachelor-Studenten, die einen Master machen wollen, diesen auch machen können.

Aus Sicht der Studenten ist dies ein großer Nachteil der neuen zweistufigen Struktur. Der wesentliche Vorteil laut Bologna-Erklärung besteht in dem schnellen Berufseinstieg nach kurzem Studium, auf den zielgerichtet vorbereitet werden soll.

"Der Bachelor ist ein sehr sinnvolles Instrument. Die Wirtschaft hat die Reform von Anfang an unterstützt", sagt dazu Henning Dettleff von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Dettleff verweist auf die "Bachelor-Welcome-Erklärungen", die mehr als 80 deutsche Unternehmen wie Siemens, BASF, die Allianz oder SAP unterzeichnet haben.

Die Erfahrungen mit Bachelor-Absolventen in den Betrieben sind noch gering. Allerdings zitiert der Bildungsreferent eine Studie, wonach 67 Prozent der befragten Unternehmer mit den Eingestellten zufrieden waren. Eine ablehnende Haltung nehmen forschende Institute und Unternehmen, beispielsweise in der Chemieindustrie, ein.

Es scheint, dass hier der Master der Mindestabschluss bleibt. "Haben doch früher auch 82 Prozent aller Diplom-Chemiker promoviert", erklärt Dettleff. Student Kalkhoff sieht vor allem Nachteile in der Bachelor-Ausbildung.

Sie sei für Geisteswissenschaftler fatal: "Denn keiner kann nun mehr etwas Zusätzliches studieren, was einen nebenbei interessiert." Im Bachelor-Alltag mit seinen vielen Klausuren, Hausaufgabenkontrollen und Anwesenheitslisten, fehle die Zeit, und der Arbeitsdruck sei groß.

Mitarbeiter von psychologischen Beratungsstellen an den Unis bestätigen dies und klagen über immer mehr Zulauf: Viele Studenten drohten im neuen System unterzugehen. Die vorgegebene Vollzeit-Studien-Woche ist besonders schwierig für Studenten, die arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren. Auch junge Eltern haben es nicht leicht, Baby und Studium zu vereinbaren.

Kritiker bemängeln, dass bei vielen Studiengängen die alten Lerninhalte nur ein wenig entschlackt und nicht grundlegend überarbeitet wurden, um sie in das neue Bachelor-Korsett zu zwängen.

Der einstige Theologieprofessor Marius Reiser gab gar seinen Lehrstuhl für Neues Testament an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz auf. Nachdem er sich 18 Jahre lang Mühe gegeben habe, einen sinnvollen Studiengang aufzubauen, werde durch den Bologna-Prozess alles in Stücke geschlagen. epd