Vor dem Gespräch mit dem Chef scheuen sich viele berufstätige Frauen

Der Teststreifen ist blau, die Gewissheit ist da: "Ich bin schwanger. Nach der ersten Freude haben viele berufstätige Frauen aber auch unzählige Fragen.

Sie sind vor allem unsicher, wie und wann sie ihren Chef über die Schwangerschaft informieren sollen. "Bei der Mitteilungspflicht der Schwangerschaft an den Arbeitgeber handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, erklärt der Arbeitsrechtler Martin Hensche aus Berlin.

Das heißt: Die Frau soll – muss aber nicht – ihren Arbeitgeber unterrichten. "Die Schwangere ist de facto frei in der Wahl des Zeitpunkts. Diese Freiheit sollten sich Frauen auch nehmen, rät Arbeitswissenschaftlerin Frauke Greven aus Köln.

Mit ihrer Agentur "spielraum berät sie Frauen in Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Die Schwangere sollte das Selbstbewusstsein haben, ihren Chef erst zu informieren, wenn sie sich selbst ganz sicher ist, rät die Arbeitswissenschaftlerin. Denn immerhin besteht in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten.

Und die werdende Mutter muss sich erst einmal an den neuen Zustand gewöhnen. Wen die Morgenübelkeit plagt, der sollte dennoch so früh wie möglich ein Gespräch mit dem Chef suchen. "Spätestens wenn die Kollegen etwas merken oder es gar wissen, ist es besser, mit dem Arbeitgeber zu reden, sagt Beraterin Greven.

"Denn der Flurfunk ist sehr schnell. Damit das Gespräch in einer stressfreien Atmosphäre abläuft, rät sie, es terminlich zu planen – und das Thema nicht zwischen Tür und Angel anzusprechen. "Also auch lieber nicht am Montagmorgen oder Freitagnachmittag den Chef damit überraschen, sagt Greven.

Vor dem Gespräch sind viele Frauen nervös. Manchmal zu Recht, wie Annette Rethemeier, Beraterin bei Pro Familia in Hamburg, weiß: "Es gibt auch Arbeitgeber, die die Frauen spüren lassen, dass sie Schwangere und junge Mütter in ihrem Betrieb nicht schätzen. Wer sich im Voraus auf eine entsprechend kühle Reaktion des Chefs einstellt, ist während des Gesprächs weniger enttäuscht.

Insbesondere Frauen in leitenden Positionen stoßen nach Erfahrung von Pro-Familia-Beraterin Rethemeier nicht immer auf das Wohlwollen des Arbeitgebers. "Sie haben daher oft Angst, ihre leitende Position zu verlieren. Aus diesem Grund verschweigen einige Frauen monatelang, dass sie schwanger sind – und verzichten damit auf wichtige Mutterschutzregeln.

Denn erst wenn der Arbeitgeber von der Schwangerschaft weiß, kann er diese Regeln berücksichtigen. Unter anderem dürfen Schwangere nicht mit schweren körperlichen Arbeiten beschäftigt oder gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen ausgesetzt werden.

Auch dürfen werdende Mütter nicht mehr als 8,5 Stunden täglich oder 90 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden. Ganz anders sieht es bei freiberuflich arbeitenden Frauen aus: "Das macht ein bisschen nachdenklich, aber für Selbstständige gilt das Mutterschutzgesetz nicht, sagt Arbeitsrechtler Hensche.

Sie müssen selbst dafür sorgen, dass sie in einem gesunden Umfeld arbeiten können. Für alle schwangeren Angestellten gilt laut Mutterschutz dagegen ein besonderer Kündigungsschutz – nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch vier Monate nach der Entbindung noch, sagt Hensche.

Angestellte, die noch in der Probezeit sind, brauchen auch keine Angst um ihren Job zu haben: "Die Probezeit ist beendet, sobald die Frau ihrem Chef sagt, dass sie schwanger ist, erläutert Rethemeier. Ist der Arbeitsvertrag befristet, lässt sich das durch eine Schwangerschaft aber nicht aufheben.

Probleme zwischen Arbeitgeber und Angestellter kommen nach Erfahrung von Rechtsanwalt Hensche oft erst dann auf, wenn die Frau wieder in den Job einsteigen will. "Manchmal haben sich in der Zwischenzeit die Strukturen im Betrieb geändert, und der Arbeitgeber hat keine passende Stelle mehr für die Frau, sagt Hensche.

Zum Teil wünschen sich die Mütter auch eine Teilzeitstelle, die der Arbeitgeber nicht bieten kann oder will.

Damit es dann nicht zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt, rät Familienberaterin Greven, das Thema Wiedereinstieg frühzeitig anzusprechen. "Hier sollte die werdende Mutter bereits so früh wie möglich konkret werden und ruhig auch eigene Ideen vortragen.