Der Beruf der Woche: Die Arbeit eines Lokomotivführers ist heute bequemer als zu Dampflokzeiten. Aber sie ist kein Traumberuf mehr. Nachwuchs wird dringend gesucht. Wegen akuter Engpässe fallen sogar Züge aus.

Früher war es der Traumberuf vieler Jungen, inzwischen sind Lokomotivführer fast zu einer seltenen Spezies geworden. Händeringend suchen viele Eisenbahnunternehmen Nachwuchs. Die Not ist teils so groß, dass Züge ausfallen.

Die Nordwestbahn startete bereits eine Plakatkampagne, die Arbeitsagentur organisiert Umschulungen, und die Deutsche Bahn bildet in diesem Jahr mehr Lokführer aus als geplant. Von der Gewerkschaft durchgesetzte Lohnsteigerungen und die Annäherung des Niveaus zwischen Privaten und dem Staatskonzern alleine haben den Beruf nicht attraktiver gemacht.

Vergeblich warteten etliche Pendler der Eurobahn im Kreis Hildesheim vor einigen Wochen auf ihren Zug: Wegen Lokführermangels fielen Fahrten schlichtweg aus. "Der Markt ist wie leergefegt, deswegen bilden wir auch selber aus", sagt Eurobahn-Sprecher Marco Vogel.

Ein Kurs für neue Lokführer ende gerade, der nächste laufe an. "Auf dem freien Markt gibt es sehr wenig Arbeitskräfte." Die Eurobahn ist vor allem in Nordrhein-Westfalen unterwegs. "Im Rhein-Ruhrgebiet würden uns 15 bis 20 zusätzliche Lokführer sehr gut tun", so Vogel.

Auch die Metronom-Bahn, die zwischen Göttingen, Hamburg und Bremen fährt, musste im Sommer kurzfristig Züge aus dem Plan nehmen. Nach Streik und Krankheit war die Personaldecke zu dünn. "Es ist so, dass in Deutschland zurzeit 800 Lokführer fehlen", sagt Sprecherin Tina Allerheiligen. Sieben offene Stellen gebe es derzeit, neben einer Beteiligung an Umzugskosten bietet die Bahn neuen Lokführern am Ende der Probezeit 1500 Euro Prämie.

"Die Situation ist in ganz Deutschland angespannt." Auch auf Zeitarbeiter setzt die Osthannoversche Eisenbahn (OHE), die im Dezember den Regionalverkehr in der Lüneburger Heide übernimmt – auf einen Schlag werden dafür etliche Lokführer gebraucht.

"Der Markt ist leergefegt, fertige Lokführer können sie nicht finden", sagt auch Nordwestbahn-Sprecherin Katrin Hofmann. Mit Plakaten warb das in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen aktive Unternehmen bereits für seine Lokführerschulung. "Es ist schon schwierig, geeignete Kandidaten zu finden." 21 Jahre alt müssen Bewerber sein, einen Hauptschulabschluss und möglichst auch eine technische Ausbildung haben. "Die Lokführer müssen physisch und psychisch belastbar sein, sie sind quasi als Ein-Mann-Unternehmen unterwegs", meint Hofmann. Dazu kämen Wechselschichten. 2321,41 Euro Monatslohn brutto plus Zulagen sehe der Branchentarifvertrag vor. Bundesweit waren bei der Agentur für Arbeit im September 430 Stellen für Lokführer registriert – fast 200Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Mit 78 Tagen dauere es bei Lokführern derzeit deutlich länger, eine freie Stelle zu besetzen als im Durchschnitt, teilte die Agentur mit.

Die Jobaussichten für Berufseinsteiger seien gut, die Experten der Agentur rechnen damit, dass sich die Engpässe möglicherweise noch zuspitzen. "Wir schulen Arbeitslose zu Lokführern", erklärt Arbeitsagentur-Sprecherin Jeanette Hoffmann am Metronom-Firmensitz in Uelzen. 15 Interessenten seien im aktuellen Kurs. "Die Teilnehmer wechseln vom Fleck weg auf die Lokomotiven", sagt sie zum Erfolg der seit 2009 organisierten Schulungen.

Noch relativ komfortabel aufgestellt ist die Deutsche Bahn mit ihren bundesweit rund 20 000 Lokführern, regionale Schwankungen ließen sich meist konzernintern ausgleichen, sagt eine Sprecherin in Berlin. Der Bedarf an Nachwuchs allerdings ist auch beim Branchenprimus groß. Mehr Auszubildende als geplant haben in diesem Jahr die Ausbildung zum Triebfahrzeugführer begonnen.

Trotz aller Engpässe ist die Begeisterung für den Arbeitsplatz an der Spitze des Zuges nicht ganz verflogen. Auch bei den Umschülern gebe es Vierzigjährige, die sagten, "das wollte ich schon immer machen", sagt Nordwestbahn-Sprecherin Hofmann.

Die großen Fahrzeuge mit viel PS lockten noch immer manche Männer. "Diejenigen die sagen, das ist mein Leben, das mache ich gerne, die gibt es nach wie vor", berichtet Eurobahnsprecher Vogel. "Es gibt noch immer viele Überzeugungstäter."dpa