Während die Wirtschaftskrise vielen Unternehmen die Arbeit raubt, schafft sie an ungewollter Stelle Mehrarbeit: bei den Richtern.

Die krisenbedingten Kündigungen lassen die Zahl der Klagen an den Arbeitsgerichten in Niedersachsen und Bremen steigen. "Immer wenn es der Wirtschaft schlecht geht, merken wir das sofort. Wir sind ein Konjunkturbarometer", sagt der Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen, Hinrich Vogelsang.

Eine Klagewelle trifft derzeit vor allem das Arbeitsgericht Osnabrück. Wegen des Stellenabbaus des insolventen Cabrioherstellers Karmann sei eine Kammer komplett mit den etwa 1000 Klagen von Mitarbeitern beschäftigt, sagte Richter Thomas Schrader.

Die Zahl der Klagen wird in Niedersachsen in diesem Jahr hochgerechnet auf etwa 45 000 steigen. In den beiden vergangenen Jahren war die Gesamtzahl mit mehr als 36 000 annähernd gleichgeblieben. Allein das Arbeitsgericht Hannover muss nach Angaben Vogelsangs in diesem Jahr mit etwa 1200 Klagen mehr rechnen. In Celle wird ein Anstieg von fast 500 Klagen erwartet.

Auch in Lüneburg seien die Klagen in den ersten vier Monaten dieses Jahres um ein Fünftel gestiegen. In Lingen sei die Zahl der Klagen zur Jahreshälfte schon deutlich höher als 2008, sagte Vogelsang.

"Mittelfristig bedeutet es, dass es längere Verfahren gibt. Wir merken es momentan nur an einzelnen Gerichten." In Notsituationen müssten Richter gefunden werden, die freiwillig an andere Gerichte gehen, um dort auszuhelfen.

Nur in Wilhelmshaven und Hameln sei zurzeit noch kein Anstieg zu verzeichnen. "Persönlich glaube ich, dass der große Schwung vielleicht erst noch kommen wird, da die meisten Unternehmen ja noch Kurzarbeit betreiben", ergänzt Vogelsang.

Im Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven gingen im ersten Quartal 1500 und damit rund 300 Klagen mehr ein als im Vorjahreszeitraum. Davon seien mehr als die Hälfte Kündigungsschutzklagen, sagte der stellvertretende Direktor des Gerichts, Michael Grauvogel.

"Früher war ein Klagegrund das Ziel einer Abfindungszahlung." Heute gehe es hauptsächlich um den Erhalt des Arbeitsplatzes. Für viele Arbeitnehmer sei die Kündigungsschutzklage die letzte Hoffnung, meinte Grauvogel. dpa