Siezen oder duzen? Wie wird es im Kollegenkreis gehalten? Kommt ganz auf das Unternehmen an. Vorsichtige probieren es immer erst mal mit dem “Sie“.

In den meisten Unternehmen in Niedersachsen und Bremen gibt es keine verbindlichen Regeln für die Anredeformen unter Kollegen. Die einen schätzen die vertraute Arbeitsatmosphäre beim "Du", während andere lieber eine professionelle Distanz wahren.

Ob "Du" oder "Sie", das dürfen Arbeitnehmer häufig individuell wählen. Wofür sich die Mitarbeiter entscheiden, hängt von der Hierarchiestufe, dem persönlichen Kontakt untereinander und auch den regionalen Besonderheiten ab.

Es gibt aber auch Unternehmen, die das "Du" als Teil ihrer Unternehmenskultur pflegen. "Bei uns wird geduzt, und das schließt auch wirklich alle ein", sagt ein PR-Berater einer Bremer Werbeagentur.

Ähnlich sieht es bei der SPD-Landtagsfraktion in Niedersachsen aus. "Das ist keine zwingende Vorgabe, aber es erleichtert die Arbeit und hilft dabei, Kommunikationshürden abzubauen", sagt Sprecher Olaf Reichert. Das "Du" gehöre einfach zur Parteikultur und sei ein Zeichen von Zusammengehörigkeit.

Die Continental AG gibt für ihre Mitarbeiter keine Regeln oder Empfehlungen aus, was die Anrede untereinander angeht. "Es liegt in der Freiheit unserer Mitarbeiter selbst zu entscheiden, wie sie angesprochen werden möchten", sagt Sprecherin Antje Lewe.

Knigge-Trainer Andreas Weinzierl rät zwar nicht grundsätzlich vom "Du" im Geschäftsleben ab, hält das "Sie" aber für die generelle Regel. "Damit ist man immer auf der sicheren Seite." Zudem biete das "Sie" den Vorteil einer Distanz, die sinnvoll sein könne, wenn es auf Neutralität und Sachlichkeit ankomme. "Das Du‘ reißt die Mauer der Distanz nieder." Das schaffe eine Vertrautheit, die in manchen Situationen unerwünscht sei, zum Beispiel bei Beurteilungsgesprächen.

Auch die Polizeidirektion Hannover gibt keine verbindlichen Regeln für die Anrede ihrer Mitarbeiter untereinander aus. "Vielfach ist Duzen auch dadurch bedingt, dass sich Beamte schon seit langem kennen, unabhängig von ihrem Dienstgrad", erklärt Sprecher Thorsten Schiewe. Respekt und Anerkennung entstehe durch fachliche und persönliche Kompetenz, die nicht zwingend durch ein "Du" oder "Sie" beeinflusst werde.

Ob geduzt oder gesiezt wird, hängt nach Meinung von Soziologie-Professorin Gabriele Wagner von der Branche ab. "Duzen kann zu Problemen führen, wenn es verordnet wurde, die Mitarbeiter sich aber sozial nicht so nahe stehen", sagt sie. "Dann ist es schwieriger, sich von einem Kollegen zu distanzieren." Deshalb sei es im Berufsleben manchmal besser, zum Sie‘ zurückzukehren, um der Formalität in der Arbeitsorganisation gerecht zu werden.

Der Sprecher eines großen Hannoveraner Unternehmens berichtet von "ausgesprochenen Siezern und ebenso eingefleischten Duzern". Deshalb gebe es auch keine Regeln. "Die Jüngeren pflegen einen eher lockeren Umgang, die Älteren sind da deutlich formeller", sagt der Sprecher. Auch die englischsprachigen Mitarbeiter seien sehr locker. Hier werde durchgängig geduzt und sogar der Chef mit dem Vornamen angesprochen.

Knigge-Trainer Weinzierl rät dazu, beim Übergang vom "Sie" zum "Du" vorsichtig zu sein. "Man sollte erst dann wechseln, wenn man mit den Gepflogenheiten des Unternehmens vertraut ist und sich gut mit der betreffenden Person versteht." Außerdem müsse im Geschäftsleben immer die ranghöhere Person das "Du" anbieten. Zur Vorsicht rät er, wenn das Duzen auf Betriebsfesten begann. "Dann sollte man lieber den nächsten Arbeitstag abwarten, es könnte aus einer Bierlaune heraus angeboten worden sein." dpa