Interview mit Matthias Schranner, Experte für schwierige Geschäftsgespräche und Trainer für Führungskräfte

In vielen geschäftlichen Verhandlungen liegt Zündstoff. Wer dann noch beleidigt wird, verliert schnell die Fassung. Davor warnt Matthias Schranner (42).

Der Verwaltungsjurist und Autor war jahrelang Verhandlungsführer für die Polizei bei Geiselnahmen. Heute trainiert er Führungskräfte namhafter Unternehmen in Verhandlungstechniken. Mit ihm sprach Annette Zellner.

Was haben Geschäftsgespräch und Geiselnahme gemeinsam?

Bei beiden kann das Gefühl entstehen, einfach nicht mehr weiter zu wissen. Man gerät an seine subjektive Grenze und gerät in Stress, leidet unter Zeitnot und Erfolgsdruck.

Wie kann man das vermeiden?

Mit einer guten Vorbereitung. Man definiert sein Ziel und teilt es in Zwischenziele auf. Dann überlegt man sich, mit welcher Strategie man diese erreicht.

In der Verhandlung muss man dann ständig die Motive des anderen analysieren – also herausfinden, was ihm wichtig ist. Man darf nicht auf alles eingehen, was er sagt. Wenn man reagiert statt agiert, ist man draußen.

Und wenn der andere ein Profi ist?

Wenn ich weiß, dass die Verhandlung hart wird, versuche ich ihn auszubooten, damit er ausgetauscht wird.

Dann kann ich sagen: ,Na, wann kommt denn Ihr Kollege?' Ich stelle seine Kompetenz in Frage, damit er ausrastet.

Wenn das passiert, habe ich mein Ziel erreicht. Dann rufe ich seinen Chef an und beschwere mich. Der schickt dann einen braven, weniger guten Verhandlungspartner.

Keine faire Strategie.

Sicher, das ist äußerst unfair. Aber der andere muss auch wissen, was abgeht.

Was sollte der Angegriffene tun?

Auf keinen Fall darauf eingehen. Er muss merken, wann der Stress bei ihm beginnt und sich sagen: ,Stopp, dieses Spiel mache nicht mit!' Jeder Mensch hat einen Punkt, an dem er seine Belastungsgrenze überschreitet und vom rational denkenden Menschen zum instinktiv handelnden Wesen wird. Dann aber ist er manipulierbar.

Und wenn man doch zu explodieren droht?

Wird die Geschichte zu heiß, muss man eine Pause machen. Die kann man schon vorher ankündigen, indem man sagt, dass man noch telefonieren müsste.

Was ist zu tun, wenn die Verhandlung in einer Sackgasse steckt?

An diesem Punkt ist die Gefahr groß, dass schon erreichte Gemeinsamkeiten übersehen werden. Hier sollte eine neue Strategie einsetzen. Man fasst zusammen, was man bereits vereinbart hat.

Dann arbeitet man sich wieder bis zu den Gegensätzen vor. Diese Gegensätze, die oft unüberbrückbar erscheinen, muss man in ganz kleine Zwischenziele aufteilen.

Spielt die Körpersprache eine Rolle?

Sie ist keine Momentaufnahme, sondern immer ein Film. Ich warne davor zu sagen: ,Mein Verhandlungspartner verschränkt die Arme, der wehrt mich ab.' Das kann sein, muss aber nicht. Man muss ihn ständig beobachten.

Welche Rolle spielt die Sprache?

In der Annäherungsphase sollte man viel im Konjunktiv sprechen, zum Beispiel: "Worüber wir nachdenken könnten..." Man darf sich nicht festlegen, sondern sollte erstmal austarieren, welche Ziele der andere hat.

Wie verhält man sich, wenn man mit Kollegen in eine Verhandlung geht?

Die eigene Gruppe ist sehr gefährlich, da sie schwer zu steuern ist. Man muss hundertprozentig sicher sein, dass nur einer die Verhandlung führt. Es muss sehr streng geregelt sein, wer wann was sagen darf. Sonst wird man zum Freiwild.

Der andere kann einen dann ausspielen, indem er mit der Anerkennungsstrategie arbeitet: Er schaut nur noch meinen Kollegen an. Dann kann es passieren, dass ich mich wichtig mache und etwas gegen den Kollegen sage.

Was gilt für Preisverhandlungen?

Wichtig ist das Prinzip der Reziprozität: Eine Verhandlung muss wechselseitig sein.

Wenn man etwas gibt, muss man etwas nehmen. Sonst hat mein Gegenüber das Gefühl, ich habe was zu verschenken.

Dann sollte man viel üben?

Ja, das kann man gut in der Ehe. Denn die Strategien sind überall die gleichen. Mein Verhandlungspartner braucht das Gefühl, dass ich ihn respektiere. Dann ist es egal, ob er eine Sturmmaske trägt oder einen Nadelstreifenanzug. Jeder will schließlich ein Gewinnergefühl haben.