Kaum ein Thema ist so klischeebehaftet wie die Kreativität. Fünf Irrtümer.

Kreativ ist man oder nicht. So lautet ein weit verbreiteter Irrtum. Ein weiterer: Entweder man hat einen Geistesblitz oder nicht. Die meisten revolutionären Ideen sind jedoch keine Zufallsprodukte. Sie sind das Resultat einer systematischen Suche nach neuen Lösungen.

Irrtum 1:

Kreativität ist Brainstorming.

Wie gehen Betriebe meist bei der Suche nach neuen Ideen vor? Mehrere Mitarbeiter treffen sich zum Brainstorming und formulieren ein Ziel. Dann äußern sie Vorschläge zum Lösen der Aufgabe – und zwar so lange, bis stapelweise Flipchart-Papier beschrieben ist. Danach lehnen sie sich stolz zurück, betrachten ihr Werk und sind felsenfest überzeugt: Wir haben 1A-Ideen entwickelt. Faktisch erweisen sich die so gesammelten Ideen im Nachhinein jedoch meist als unbrauchbar.

Das so genannte Brainstorming ist in vielen Betrieben das Standardverfahren zum Entwickeln neuer Ideen. Dabei wäre hierfür meist ein anderer Ansatz nötig: nämlich ein systematisches Betrachten des Problems von unterschiedlichen Seiten – und eine Arbeitsweise, die aus den Ideen auch brauchbare Lösungen macht.

Irrtum 2:

Nur Kreative sind kreativ.

Viele Menschen denken: Kreativ ist man oder nicht. Das stimmt so nicht, betonen Hirnforscher wie Gerhard Roth. Kreativität ist weitgehend das Resultat eines bestimmten Verhaltens. Wirklich kreative Menschen verknüpfen laut Harvard-Professorin Teresa Amabile zum Beispiel Wissen aus unterschiedlichen Bereichen so, dass neuen Lösungen entstehen. Das setzt voraus, dass sie das erforderliche Wissen haben – denn wo nichts ist, kann man auch nichts verknüpfen.

Wirklich kreative Menschen sind zudem hochmotiviert. Sie sind versessen darauf, die Lösung für ein erkanntes Problem zu finden. Und auch nach Fehlversuchen bleiben sie am Ball. Eine hohe Motivation kann teilweise fehlendes Wissen und einen Mangel an kreativen Fähigkeiten kompensieren.

Irrtum 3:

Kreativtechniken machen kreativ.

Das Wort Kreativtechnik nährt in uns die Illusion, durch die Wahl der richtigen Technik würden wir kreativ. Doch Kreativtechniken helfen uns nur, unsere Gedanken zu strukturieren.

Die Voraussetzungen, um kreativ zu sein, trägt jeder Mensch in sich. Nehmen wir an, Sie waren früher Verkäufer. Danach arbeiteten Sie als Surflehrer, anschließend als Programmierer. Dann wären Sie der ideale Mann oder die ideale Frau, um neue, nutzerfreundliche Computerprogramme zu entwickeln. Warum? Als Ex-Verkäufer wissen Sie, was Kunden wichtig ist. Als Tauchlehrer haben Sie gelernt, Menschen die Angst vor Neuem zu nehmen. Und als Programmierer wissen Sie, was IT-technisch möglich ist.

Irrtum 4:

Kreativität heißt: frei herumspinnen .

"Lassen Sie uns ganz frei nach neuen Ideen suchen." Diese Aufforderung führt meist in eine Kreativblockade. Denn Kreativ-Sein bedeutet, Wissen neu zu vernetzen. Hierfür muss unser Kopf zielgerichtet nach relevanten Puzzle-Teilen suchen. Ist die Aufgabenstellung zu allgemein formuliert, fällt unserem Kopf das Suchen schwer.

"Einschränkungen fokussieren Probleme. Sie setzen Hürden, die es zu nehmen gilt und liefern so Inspirationen", schrieb Google-Entwicklungschefin Marissa Mayer in einem Artikel. So geht das Unternehmen beim Suchen neuer Ideen und Problemlösungen vor. Es macht seinen Mitarbeiter klare Vorgaben, auch um ihnen zu signalisieren: Hier ist kein Platz für Spinnereien.

Irrtum 5:

Kreativität macht erfolgreich.

"Wir brauchen mehr Ideen." Solche Aussagen hört man oft in Unternehmen. Kreativität gilt sozusagen als Erfolgsgarant. Das stimmt nicht. Kreativität ist nur eine wertvolle Ressource, wenn sie in die richtigen Bahnen gelenkt wird.

Thomas Edison, bekannt als Erfinder der Glühbirne, hatte eine einfache Philosophie: "Was sich nicht verkauft, möchte ich nicht erfinden." Er überlegte zunächst stets: Lohnt sich hier ein Engagement? Nur wenn er davon überzeugt war, wurde er aktiv und analysierte zum Beispiel gezielt die Schwächen eines Produkts, um ein neues, besseres zu entwerfen.

Wir brauchen nicht mehr Ideen, sondern bessere. Klasse statt Masse ist gefragt.

Der Autor ist Inhaber des Beratungsunternehmens Die Ideeologen und Buchautor.