In Frankfurt arbeiten Studenten als U-Bahn-Fahrer.

Fasziniert hat Mesut Keskin (35) die Eisenbahn schon immer. Zwei seiner Verwandten sind schließlich Lokführer. Ihnen hat Keskin nachgeeifert: Er ist U-Bahn-Fahrer – und Student.

In Frankfurt geht das. Hier steuern Studenten aushilfsweise die Bahnen unter der Stadt hindurch. In bis zu 20 Stunden pro Woche dürfen sie hauptberufliche Fahrer ersetzen, die krank sind oder Urlaub haben. 14 Euro je Stunde zahlt die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) dafür, 17 Euro am Wochenende oder in der Nacht. "Besser als beim Kellnern", findet Keskin. "Dafür lässt sich auch die Dunkelheit aushalten."

Es ist 3.45 Uhr, als Keskins Schicht unter Frankfurt beginnt. Frühdienst. "Ich bin eigentlich kein Frühaufsteher" sagt er. "Das einzig Gute ist, dass ich beim Frühdienst einen ausgedehnten Mittagsschlaf bekomme." Feste Arbeitszeiten haben die studentischen U-Bahnfahrer der VGF nicht.

Am Anfang eines Monats müssen sie in einem Plan eintragen, wann sie an welchem Tag gern arbeiten möchten. Früh, mittags, spät, egal – das sind die vier Möglichkeiten. "Der Mittag ist der schlimmste Dienst. Der geht so um eins los und dauert bis acht, neun Uhr abends. Da hat man vom Tag nicht viel."

2003 hat sich Keskin um den Job beworben. Eine Freundin hatte ihn auf die Ausschreibung der VGF hingewiesen. Für den Job in der U-Bahn wurde technisches Verständnis verlangt sowie ein Führerschein der Klasse 3.

Wegen der Enge in den Führerständen der alten Kabinen sollten die Bewerber möglichst keine zwei Meter groß sein. Keskin erfüllte alle Voraussetzungen und wurde von der VGF zur vierwöchigen Ausbildung eingeladen. Nach drei Wochen Theorie ging es eine Woche in den normalen Dienst, mit einem Lehrfahrer an seiner Seite. Danach hielt er den Führerschein für U-Bahnen in der Hand.

Seither steuert der 35-Jährige, der mittlerweile sein Studienfach von Maschinenbau zu Indogermanistik gewechselt hat, U-Bahnen. Die Linien 4, 6 und 7. Streckenkenntnis müssen sich die Fahrer für jede Linie aneignen. "Man muss wissen, welche Stationen aufeinanderfolgen oder wo die Notausgänge im Tunnel sind. Deswegen werden wir für alle Strecken einzeln geschult."

60 Kilometer pro Stunde über der Erde und 70 Stundenkilometer unter der Erde schnell steuert Keskin die U-Bahn.

Da er auf Schienen fährt, braucht er kein Lenkrad, es reicht, zu beschleunigen und zu bremsen. Das erledigt er sozusagen mit links. Er dirigiert den Zug mit einem kleinen Hebel in der linken Hand. Besondere Herausforderung: das Bremsen. Aus voller Fahrt genau den richtigen Haltepunkt am Bahnsteig zu treffen. "Das ist anders als im Auto, wo man eher ausrollt. Aber das Gefühl kriegt man einfach mit der Zeit."

An die Verantwortung für Hunderte Fahrgäste im Zug hat sich der gebürtige Türke schnell gewöhnt. "Das steckt man schnell weg, wir sind ja für alle Fälle gut geschult." Das gilt auch für seine Ansagen durch das Mikrofon, wenn er die Fahrgäste auf den Bahnsteigen um Abstand bittet oder die Endstation ankündigt.

Mit dem Lernen für die Uni hat Keskin seinen Job bisher immer unter einen Hut bekommen. Zwei Dienste pro Woche macht er in der Vorlesungszeit. "Wenn Klausuren anstehen, kann ich das sagen und werde weniger eingeteilt."

Schließlich hat die VGF die Auswahl. 13 Studenten-Fahrer gibt es: 12 Männer, eine Frau. "Wir haben Anfang der 90er Jahre mit der Suche nach studentischen Fahrern begonnen", sagt VGF-Sprecher Peter Ruhr. "Weil wir damals mit den festen Fahrern den Bedarf kaum decken konnten." Mittlerweile gibt es aber wieder genug Festangestellte.

Noch eineinhalb Jahre lang studiert Keskin in Frankfurt. Will er danach hauptberuflich U-Bahnen fahren? "Das muss ich nicht haben", sagt er. "Aber wenn man an die Bezahlung denkt, denkt man schon noch mal nach. Schließlich verdienen unsere Fahrer besser als die Lokführer der Bahn." dpa