Wolfsburg. Das Geschäft mit den E-Autos geht nur langsam voran. Nun entdecken Hersteller wieder Erdgas.

Aus welchem Grund Erdgasautos aus dem Fokus der Kundschaft geraten sind, kann nicht einmal Jens Andersen genau sagen. Andersen ist seit ein paar Monaten Konzernbeauftragter bei Volkswagen für Fahrzeuge, die mit CNG fahren. Die Buchstaben stehen für „Compressed Natural Gas“ und bedeuten, dass der natürliche Energieträger in verdichtetem Zustand in die Tanks kommt. „Diese Autos bieten“, sagt Andersen, „die beste Möglichkeit, ökonomisch und ökologisch zu fahren.“ Aber er sagt eben auch: „Wir haben die Technik in der Vergangenheit offenbar nicht gut genug erklärt.“

Das soll anders werden, was mit Blick auf die kümmerliche Zahl von gegenwärtig gerade mal 100 000 CNG-betriebenen Fahrzeugen in Deutschland keine große Kunst sein sollte. In Italien ist immerhin eine Million Autos mit Gas im Tank unterwegs, in China sind es fünf Millionen. Der Volkswagen-Konzern will mit unterschiedlichen Marken bis 2025 die Anzahl der Autos mit dieser sauberen Antriebstechnik verzehnfachen. Die Zahl der CNG-Tankstellen soll in dieser Zeit von rund 920 auf 2000 Stationen wachsen.

Um diese Ziele zu erreichen, hat sich Volkswagen Partner aus der Industrie gesucht, unter anderem Gasversorger wie Eon und Gazprom und den drittgrößten Tankstellenbetreiber Total. Mercedes bietet die B- und E-Klasse mit Erdgas an, Opel neben dem Zafira bald auch den Astra.

Unbestreitbar ist, dass E-Mobilität allein nicht für eine Energiewende reichen wird. Auch aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung für eine Verlängerung der Steuerermäßigung für Erdgas als Kraftstoff entschieden. Mindestens bis 2026 wird der alternative Kraftstoff weiter mit einer reduzierten Energiesteuer gefördert. „Die Politik löst damit die Handbremse für die Marktentwicklung des alternativen Kraftstoffs“, sagt Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas. Man könnte aber wohl auch sagen: Ohne „big brother“ an ihrer Seite bekommen selbst die hochprofitablen Hersteller umwälzende Veränderungen der Antriebssysteme nicht hin.

Preise für Steuern und Treibstoff sind viel niedriger

Auf den VW-Konzern jedenfalls wirkt die (erwartete) Entscheidung der geringen Besteuerung von Erdgas befreiend. Denn in Kürze werden nicht mehr nur Brot-und-Butter-Autos wie die Seats Mii, Ibiza und Leon oder der Skoda Octavia in einer Version mit CNG angeboten, sondern auch der Audi A4 Avant und der A5 Sportsback – beide tragen in der Bezeichnung die Kennung „g-tron“. Nicht nur für Kunden, die darauf Wert legen, deutlich geringere Emissionen zu verursachen als mit Diesel- oder Benzinautos, auch für kostenbewusste Käufer sind CNG-Fahrzeuge eine Alternative. Im Anschaffungspreis liegen sie etwas unterhalb vergleichbarer Diesel, aber die Steuern sind gering. Für einen VW Golf Variant TGI werden im Jahr nur 33 Euro fällig, für einen Octavia G-TEC Kombi 36 Euro.

Nahezu halbiert sind sogar die Treibstoffpreise: Der Golf bringt es auf Kosten von nur rund 3,40 Euro auf 100 Kilometer, der Benziner verlangt dagegen Treibstoff für 6,30 Euro (bei einem Literpreis von 1,29 Euro). Bleibt also die Frage, warum bei diesen Vorteilen und geringfügig erhöhten Wartungs- und Tüv-Kosten (plus 20 Euro bei der Hauptuntersuchung für die Kontrolle der CNG-Tanks) die Nachfrage nach Erdgasautos nicht größer ist.

Eine Ursache dafür dürfte sein, dass das Image der Wagen ramponiert war. Diese Einschätzung beruht aber oft auf Unkenntnis. Denn dass die Haltbarkeit der Motoren, die mit Erdgas betrieben werden, schlechter ist als die von Benzinern, betrifft tatsächlich nur CNG-nachgerüstete Fahrzeuge. Die Sorge, dass das Gas in den Flaschen am Unterboden explodieren könnte, ist unterdessen unbegründet. Die Behälter für das CNG bestehen aus gasdichtem Kunststoff und seien heute durch ein Gemisch aus Kohle- und Glasfaser extrem stabil für hohen Druck, erläutert Reinhard Otten, Produktentwickler bei Audi.

Und dann existiert bei potenziellen Kunden genau wie bei
E-Auto-Fahrern die Sorge, mit leerem Tank liegen zu bleiben. Aber das kann de facto nicht passieren, weil die CNG-Fahrzeuge fast immer den regulären Benzintank an Bord haben. Ist das komprimierte Gas verbraucht, schaltet der Motor nahtlos um auf Benzin. Und fährt bis zu 600 Kilometer weiter.