München. Damit der neue Fünfer die Führungsrolle verteidigt, setzt BMW auf den Fahrspaß.

Links Schafe, rechts Schafe, im Rückspiegel Schafe und am Horizont auch – viel zu sehen gibt es auf den Landstraßen hier nicht. Erst recht keine anderen Autos. Genau deshalb ist Jos van As in dieser Gegend unterwegs. Er leitet die Integration
der Fahrwerksentwicklung, ist damit so was wie der Chef der Fahrdynamik bei BMW und jagt gerade mit einer Flotte neuer Fünfer durchs regnerische Nirgendwo in Wales. Ein halbes Jahr bevor die Münchner auf der Motorshow in Detroit das Tuch von der neuen Generation ziehen, arbeitet er mit getarnten Prototypen an der Eigenschaft, die den Fünfer zur erfolgreichsten Businessclass-Limousine der Welt macht: Fahrdynamik. Denn kein Konkurrent, so wollen es die Bayern ihre Kunden zumindest glauben machen, lässt sich so sportlich und lustvoll über die Straßen treiben wie das Modell aus München.

Ein Leichtbaufahrwerk hilft, bis zu 100 Kilo abzuspecken

Natürlich sieht auch van As den Fünfer eher auf der Autobahn, auf großen, breiten Magistralen und in den Häuserschluchten der Großstädte und glaubt kaum, dass sich die neue Limousine sehr häufig hierher verirren wird, wenn sie erst einmal das Tarnkleid der Vorserienmodelle abgelegt hat und in die Hände der Fahrer gelangt.

Doch der Chefdynamiker braucht schlechte Straßen, um ein gutes Auto zu bauen, denn auf aalglatten Asphaltpisten macht jede Limousine eine gute Figur. Aber hier oben auf den schlampig geflickten Nebensträßchen mit tiefen Spurrillen, üblen Verwerfungen, Bodenwellen und allen möglichen Anregungen, da trennt sich für Jos van As die Spreu vom Weizen. Und ein bisschen Einsamkeit bei der Arbeit mit den Vorserienautos kann in diesem Fall auch nicht schaden.

Denn viel wollen die Bayern so früh noch nicht über den kommenden Bestseller verraten. Dabei muss man sich nur den Siebener anschauen, dann weiß man, wie der im Format fast unveränderte Fünfer aussehen wird. Das gilt für das nur mäßig weiterentwickelte Design genauso wie für die Technik unter dem Blech. Nur den Carbon-Kern in der Karosserie übernimmt der Fünfer nicht, weil der offenbar für die großen Stückzahlen noch zu teuer ist. Stattdessen nutzt er ein Leichtbaufahrwerk und die neuen Motoren, um bis zu 100 Kilo abzuspecken.

Es gibt Heck- oder Allradantrieb, ein halbes Dutzend Lenkungs- und Fahrwerkskonfigurationen und die bekannten Vier- und Sechszylinder, denen später spitzer positionierte Motorvarianten zur Seite gestellt werden: der Plug-in-Hybrid für technologisch ambitionierte Sparer, ein V8 für Genießer und der M5 für Sportler zum Beispiel. Außerdem wird kurz nach der Limousine wieder ein Kombi folgen, und auch der wenig erbauliche, aber umso einträglichere Fünfer GT geht in die Verlängerung und macht das Trio vermutlich zur IAA im Herbst 2017 komplett.

Wenn die BMW-Entwickler hier in Wales ausnahmsweise mal den Platz hinter dem Lenkrad räumen und schon Monate vor der ersten offiziellen Testfahrt einen Gast ans Steuer lassen, dann spürt man das Ergebnis ihrer Arbeit auf den ersten Metern. Der neue Fünfer fühlt sich auf den engen Straßen tatsächlich engagierter an als seine Konkurrenten und schürt ein Feuer im Fahrer, als wäre er ein verkappter Sportwagen, den man nur widerwillig ins Gewand einer Limousine gesteckt hat.

Die Lenkung direkt, das Fahrwerk stramm, die Karosserie steif, der Aufbau ruhig – so schnürt der Bayer fürs Business durch Britannien und lässt einen fast vergessen, dass man in einem Fünf-Meter-Auto von knapp zwei Tonnen sitzt. Und wenn die Straße doch mal etwas breiter wird, die Kurven weiter sind und man bis zum Horizont sehen kann, lässt sich das Auto auch entspannt bewegen, und man spürt dieses Grundvertrauen, das die Vielfahrer bei ihren Vollgasritten auf der Autobahn so schätzen.

Viel Einstellen muss man dafür nicht. Der Fünfer hat von der adaptiven Dämpfung über die Progressivlenkung und die mitlenkende Hinterachse bis hin zur Wankstabilisierung alles, was die Fahrwerkstechnik an Finessen hergibt. Und natürlich lässt sich jedes System individuell konfigurieren. Doch erstens predigt van As einen sehr traditionellen Ansatz und legt Wert darauf, dass die mechanische Grundauslegung gesund ist, weil man sonst mit der ganzen Elektronik nur kuriert und kaschiert. Zweitens gibt es am Fahrerlebnis-Schalter nun einen sogenannten Adaptive-Mode, der sich recht zuverlässig dem Fahrstil anpasst und dabei nicht nur auf den Fahrer schaut, sondern auch die Navigationsdaten miteinbezieht.

Komfort- und Assistenzsystem kommen aus dem Flaggschiff

Natürlich wissen sie auch bei BMW, dass die Fahrdynamik in diesen Tagen nicht mehr die wichtigste Tugend eines Autos ist, selbst wenn sie die Freude am Fahren noch immer als Motto feiern. Technisch eng verwandt mit dem vor Jahresfrist eingeführten Siebener bekommt auch der Fünfer deshalb das Komfort- und
Assistenzpaket des Flaggschiffs, ein digitales Cockpit samt Gestensteuerung und einen Autopiloten mit noch mehr Autonomie.

Doch Jos van As ist davon überzeugt, dass seine Arbeit am Ende den Unterschied machen wird. Denn Assistenzsysteme, Infotainment und all die modernen Gimmicks bieten erstens viele Hersteller und sind zweitens verwechselbar, weil sie meist doch von den gleichen Zulieferern kommen. „Aber wenn man die Augen schließt und sich nur auf seine anderen Sinne verlässt, dann ist es am Ende unsere Arbeit, die einen diese Limousine als typischen BMW erkennen lässt“, erklärt Jos van As.