Tokio. Autohäuser im Wandel: Die Modellvielfalt der Hersteller wird zwar immer größer. Doch die Vorführwagen verschwinden und machen Platz für Cafés.

Vor der Tür gibt es keinen Parkplatz, und die aktuellen Neuwagen sieht man im Miniaturformat an der Decke über der Kundentoilette. Mit der klassischen Vorstellung von einem Autohaus hat „Intersect by Lexus“ im Tokioter Trendstadtteil Aoyama nicht mehr viel zu tun.

„Uns geht es hier auch gar nicht um die Präsentation unserer Produktpalette“, sagt Markenchef Marc Templin: „Wir wollen die Marke bekannter machen und mit einem Ort wie diesem auch Menschen ansprechen, die aktuell gar nicht an ein neues Auto denken.“ Deshalb dreht sich bei „Intersect by Lexus“ alles mehr um Kaffee statt Karossen.

Lexus ist mit diesem Ansatz nicht allein. Erst vor ein paar Wochen hat in Hamburg der erste von bald 40 „Mercedes Me“-Stores eröffnet. Er wirkt eher wie eine Bar oder ein Bistro, genutzt wird er als Kunstgalerie und Musiklounge. Audi hat ein ähnliches Konzept erarbeitet. In London, Peking und Berlin gibt es schon Filialen von „Audi City“: Geprägt ist dieser Showroom von deckenhohen Wänden, „Powerwalls“ genannt, auf denen Interessenten die Autos im Maßstab 1:1 dreidimensional und virtuell unter die Lupe nehmen können.

Nicht nur Nobelmarken setzen auf Auto und Kaffee

Auch Porsche geht neue Wege. Im September eröffnete das Unternehmen einen „Pop-Up“-Store im angesagten New Yorker Meatpacking-District. Der nur für drei Wochen installierte Showroom ist nach Angaben des Herstellers nicht wie ein Autohaus gestaltet, sondern erinnert eher an ein Musikgeschäft und präsentiert die Sportwagen vor allem virtuell. Probefahrten macht man dort digital.

Dass Konzepte wie diese nicht unbedingt an noble Marken und schillernde Metropolen geknüpft sind, zeigt das Beispiel von „Gorillas & Cars“ im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Dort stehen in einem Gebäude aus den 1950er Jahren zwischen bunten Sesseln und Ledersofas einer im Stil dieser Zeit eingerichteten Kaffeebar keine Luxuslimousinen, sondern Klein- und Geländewagen von Mitsubishi. „Die Kombination von Café-Lounge und Automobil-Showroom kommt an“, berichten die Betreiber und wollen das Konzept als Lizenzprojekt an weiteren Standorten in Deutschland etablieren.

Grundsätzlich neu seien die Ansätze nicht, sagt Mike Barowski von der Akademie für Marketing-Kommunikation in Frankfurt: „Da hat sich die Autoindustrie von der Modebranche und der Consumer-Elektronik inspirieren lassen.“

In Zeiten, in denen jeder im Internet recherchiert und dort vielleicht sogar kauft, müssten Ladengeschäfte besondere Anreize bieten, damit sie nicht verwaisen, glaubt der Experte. „Mit solchen Lounges schaffen die Hersteller ein Erlebnis, das einem das Internet nicht bieten kann.“

Auf das Probefahren muss der Kunde nicht verzichten

Zwar ist Barowski überzeugt davon, dass man gerade so teure Produkte wie Autos auch anfassen und ausprobieren möchte. Aber das klassische Autohaus hat in seinen Augen ausgedient: „Egal ob Kleidung, Computer oder Autos – das Gros des Geschäfts wird ins Netz abwandern, und nur wer sich für seine Showrooms etwas einfallen lässt, bekommt seine Kunden trotzdem noch zu Gesicht.“

Die Angst, dass dabei die Informationen auf der Strecke bleiben und die Kaufentscheidung weniger fundiert fällt, ist offenbar unbegründet. Statt früher bis zu zehnmal pro Autokauf, kommen die Kunden heute im Schnitt nur noch anderthalbmal in den Showroom, hat Sven Schuwirth ermittelt, der die Marken- und Vertriebsentwicklung in Ingolstadt leitet. Neun von zehn Kunden hätten ihr Auto im Internet fertig konfiguriert, bevor sie das erste Mal zum Händler gehen.

Zwar ist in den Autohäusern der Zukunft in Tokio, Berlin oder Hamburg tatsächlich kein Platz für die klassischen Vorführwagen, und nicht immer gibt es dort Blech auch zum Anfassen. Zu „Mercedes Me“ in Hamburg zum Beispiel gehört aber eine Tiefgarage, in der ständig fünf aktuelle Modelle poliert und vollgetankt für Testfahrten bereit stehen.dpa