Die Zukunft im Straßenverkehr? Das fahrerlose Forschungsauto „Leonie“ rollte 2010 durch Braunschweig. Projektleiter Jörn Marten Wille von der TU Braunschweig sitzt nur zur Sicherheit auf dem Fahrersitz.
Die Zukunft im Straßenverkehr? Das fahrerlose Forschungsauto „Leonie“ rollte 2010 durch Braunschweig. Projektleiter Jörn Marten Wille von der TU Braunschweig sitzt nur zur Sicherheit auf dem Fahrersitz. © Katrin Teschner

Von außen sieht dieser Passat aus wie alle anderen. Innen sieht man sofort, dass er ein Stück Auto-Zukunft an Bord hat. Statt der üblichen Zeiger-Instrumente blickt der Fahrer auf einen LCD-Bildschirm. Der Vorteil: Die Anzeige kann sich je nach Situation verändern, von einer prominenten Navigationsanzeige bis hin zum Fernsehprogramm in Fahrpausen. In der Mitte der Konsole stecken drei Tasten, die das Fahrverhalten verändern: sportlich, Familie, Komfort.

Der Passat ist nur ein Demo-Modell. Der Autozulieferer Continental hat das Auto aufgerüstet, um seinen Kunden zu zeigen, was machbar ist. Auch die Conti-Rivalen arbeiten an Lösungen für die digitale Zukunft. Selbst der Unterhaltungselektronik-Anbieter Harman Kardon, der sich bisher auf Infotainment-Systeme spezialisiert, entwickelte ein ähnliches Cockpit-System.

In der Industrie ist Aufbruchstimmung zu spüren. Über Jahrzehnte hat sich das Autofahren letztlich nur wenig verändert. Jetzt kommen Schritt um Schritt immer mehr digitale Innovationen in sein Innenleben. Fahrspur-Assistenten, Einparkhilfen, Kollisionswarner oder Kameras, die Schilder am Straßenrand auslesen, waren erst der Anfang. Die digital gesteuerten Transmissionen mit dem Fahrerlebnis-Wechsel auf Knopfdruck finden den Weg in die Serienproduktion ebenso wie demnächst das von Continental entwickelte Geisterfahrer-Warnsystem. Es wird aktiv, wenn ein Fahrer dabei ist, in den Gegenverkehr zu steuern. Besitzer von zwei Chrysler-Modellen werden demnächst per Lenkrad-Knopf auf den Sprachassistenten Siri in ihrem iPhone zugreifen können. Und der Ford Focus hat mehr als 70 Sensoren, die jede Stunde über 25 Gigabyte an Daten produzieren.

Ford schwebt zudem ein vernetztes Auto vor, das den Besitzer sogar länger schlafen lassen würde, wenn die Verkehrslage es zulässt, und beim Fahren seinen Gesundheitszustand im Blick behält. Die Krönung wären selbstfahrende Autos, wie sie etwa Google schon zehntausende Kilometer auf US-Straßen unfallfrei zurücklegen ließ.

Eines der spannendsten Projekte für die nächste Zeit ist die sogenannte „Car-to-X“-Kommunikation. Damit könnten Informationen im Straßenverkehr von Auto zu Auto übermittelt werden, zum Beispiel die Warnung vor Glatteis oder vor einer Unfallstelle. Genauso könnten die Fahrzeuge aber auch mit der Infrastruktur am Straßenrand wie etwa Ampeln oder Verkehrsschildern kommunizieren und Informationen an zentrale Auswertungsstellen übermitteln. Die Industrie legte einen Standard fest, im August startete ein Testprojekt im Rhein-Main-Gebiet.

Noch sieht die Realität zwar so aus, dass es für die meisten Autofahrer nicht einmal einfach ist, auf die Songs in ihrem Smartphone oder MP3-Player zuzugreifen, wenn sie nicht mehrere tausend Euro für ein hochgerüstetes Infotainment-System bezahlen wollen. Doch die Industrie spürt einen immer stärkeren Druck für Veränderungen – und der kommt direkt vom Kunden.

„Das Auto hat die Welt verändert, jetzt verändert die Welt das Auto“, sagt Continental-Manager Ralf Lenninger, der für die Kontakte zur IT-Branche zuständig ist. Ein eigenes Auto steht vor allem bei jungen Menschen viel tiefer auf der Prioritäten-Liste als noch vor wenigen Jahren, dafür gehören Smartphones und Tablets zusammen mit den Vorzügen mobiler Kommunikation inzwischen zum Lebensstil.

Die Bereitschaft, tausende Euro für ein Super-Autoradio zu bezahlen, das weniger kann als das Handy in der Tasche, ist entsprechend gering. Die Preise werden rapide sinken, prophezeit ein Industrie-Berater. „Die Hersteller müssen loslassen und den Bereich Unterhaltung und Kommunikation denen überlassen, die mehr davon verstehen“, sagt er.

Vertreter der Autoindustrie verweisen darauf, dass für ihre Technik deutlich strengere Anforderungen an Sicherheit und Verlässlichkeit gelten. Ein weiteres Problem sind die verschiedenen Geschwindigkeiten der beiden Branchen: Die Entwicklung eines Autos kann fünf bis sieben Jahre dauern, auch die Spezifikationen für Elektronik müssen zum Teil schon Jahre vorher feststehen – eine Ewigkeit für die schnelllebige IT-Industrie. dpa