Für ein Fahrsicherheitstraining muss man sich warm anziehen - Von Vollbremsungen und Hindernissen

Was passiert bei einer Vollbremsung auf nasser oder gefrorener Straße? Ausbrechendes Heck, quietschende Reifen, Pirouetten auf dem Asphalt? Es wird Zeit, sich auf den Winter vorzubereiten. Unter Anleitung, versteht sich. Wir starten am Fahrsicherheitszentrum.

Mulmig ist dieser Autofahrer-Runde in Hannover schon, als sie sich zu einer Vorbesprechung um den Tisch setzt: Vor dem inneren Auge springen Rehe auf die Fahrbahn, schleudern Wind und Wetter das Auto über den Asphalt. Alles schon passiert, dem einen oder anderen.

Und dann fällt auch noch dieser klassische Satz: "Kein System an Bord kann die physikalischen Gesetze aushebeln." Die Trainerin, die uns dies auf den Weg gibt, heißt Gabriele Liefer und arbeitet beim ADAC. Zu schnell fahren bedeutet also immer noch Gefahr, trotz aller Stabilitätsverstärker und Antiblockier-Programme, die an Bord sind?

Nun ja, wir beruhigen uns. Die Warnung der Trainerin ist ein Schreibtisch-Satz; wie es wirklich kommen wird, wird ja nicht in einem Schulungsraum, sondern auf der Trainingsstrecke entschieden.

Es hilft nichts, also: einsteigen! Gabriele Liefer schickt uns auf die Slalomstrecke. Zur Vollbremsung kommen wir also später, erstmal soll das richtige Lenken gelernt werden. Um das Steuer unter Kontrolle zu haben, lernen wir, bedarf es des Viertel-vor-Drei-Griffs, wobei die rechte Hand auf der Drei, die linke auf viertel vor liegt.

Ein Slalomparcours fährt sich natürlich locker, wenn man im Sitz fläzt. Sicher ist das aber nicht. Deshalb rät Gabriele Liefer, die Sitzposition zu überprüfen. Ist das Bein leicht gebeugt, der Sicherheitsgurt eng am Becken anliegend? Können wir trotz angelehntem Rücken noch das Lenkrad gut umfassen? Prompt sitzt man wieder so, wie man nach es der Fahrschule eigentlich nie mehr tun wollte: Zu nah vor der Windschutzscheibe. Aber sicher ist sicher.

Aber was ist denn nun mit der Vollbremsung? Schließlich hat man es im Herbst und Winter ständig mit Eis, Schnee und anderen Ungemütlichkeiten zu tun, die den Wagen von der Spur holen können.

Wasser ist das liebste Element der Fahrsicherheitstrainer, so scheint es, denn mit ihm kann man mühelos alle Wetterlagen des Herbstes und Winters imitieren. Die Fahrbahn ist rutschig, den Reifen fehlt schnell die Haftung zur Fahrbahn.

Gabriele Liefer wartet schon: Sie schwenkt einen Pylon. Lässt sie ihn fallen, ist es das Zeichen zu Vollbremsung, Verzeihung: Gefahrenbremsung.

Gefahrenbremsung, das bedeutet nicht, dass man kurz die Bremse antippt und wieder loslässt. Es bedeutet auch nicht, dass man die Bremse tritt, loslässt, und wieder tritt. Es bedeutet: richtig in die Eisen gehen!

Dafür muss man ein wenig Mut aufbringen, wegen der befürchteten Pirouetten und dem ausbrechenden Heck. Wir beschleunigen auf 50 Stundenkilometer, der Pylon fällt – und dann kommt eine Riesen-Überraschung. Wir springen mit voller Wucht auf die Bremse – Kupplung treten nicht vergessen – wir ruckeln einige Meter über den Asphalt, am Fuß spürt man ein Brummen – das war’s. Wir stehen, immer noch parallel zur Fahrbahn.

Das geht natürlich nur, weil ESP und ABS an Bord sind. Das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP verhindert, dass dem Wagen schwindlig und er deshalb instabil wird. "Bis zu 150-mal in der Sekunde", erklärt Gabriele Liefer, "vergleicht das System den Fahrzustand des Autos – und ob dieser mit dem Wunsch des Fahrers übereinstimmt." Gegen das Blockieren wirkt außerdem das, wie der Name schon sagt: Anti-Blockier-System ABS. Es gibt kaum noch Fahrzeuge, in denen dieser Helfer nicht mitfährt.

Nach dieser erfolgreichen Bremsung wollen wir uns gleich alle am liebsten mit dem Wagen in die nächste regennasse Kurve schmeißen und das ESP weiter prüfen, doch Gabriele Liefer möchte lieber, dass wir auf ein Hindernis zurasen. Es ist aus Wasser, keine Sorge. Übertragen auf den täglichen Straßenverkehr könnte es Wild sein, das auf die Straße springt, aber auch das Ende eines Staus, das wir erst hinter der Kurve entdecken.

Wir sollen, erstens: versuchen, davor zum Stehen zu kommen oder zweitens: eine Ausweichlücke zu finden. Wieder erinnern wir uns an die Fahrschule – Bremsweg, Reaktionszeit, wie war das noch mal?

Wir probieren es einfach aus: Überrascht uns die Wasserfontäne bei 30 km/h Geschwindigkeit, schaffen wir es, nach vier Metern zum Stehen zu kommen. Bei 50 Stundenkilometern messen wir schon elf Meter Bremsweg, bei 70 km/h schaffen die meisten nicht mehr, der Hindernis-Fontäne auszuweichen, die sich plötzlich aufbaut. Etwa 30 Meter Bremsweg bräuchten wir dazu. In dieser Übung hallt also die Botschaft lange nach: Zu schnell fahren in der 30er-Zone, das ist nicht klug.

Am Ende ist es also doch wahr: Das beste System hilft nicht, wenn wir zu schnell fahren. Wer aber am Steuer vorausschaut, dem braucht es vor dem Winter nicht zu grauen.