Ereignis der Woche: Mille Miglia: Bis 1957 irres Straßenrennen, heute das Top-Ereignis für Oldtimer.

Vergnügen hat viele Facetten. Bei der Mille Miglia prägen Strapazen den Spaß. Schultern schmerzen, Schuhsohlen glühen, Brandblasen zwicken und die Hände sind taub von Lenkradkurbelei und Schaltorgien. In den Coupé-Cockpits wabert Sauna-Hitze von 60 Grad, Öldunst inklusive. Und das über 32 Stunden. An drei Tagen.

Die 1600 Kilometer von Brescia nach Rom und nach Brescia zurück sind keine Spazierfahrt. Die flotte Tour ist anstrengend. Dennoch rollen jedes Jahr 375 historische Sportwagen aus aller Welt über die Startrampe. Mehr werden nicht zugelassen, obwohl sich Hunderte Oldtimer-Eigner darum bewerben.

Die Anziehungskraft hat Gründe. Es gibt keine faszinierendere historische Rallye. Sie mobilisiert über eine Million Zuschauer, mehr als andere Motorsportveranstaltungen.

Die Klassiker-Szene boomt. Auch jede deutsche Stadt hat einen Oldie-Event. Aber: Was ist das schon gegen eine Mille Miglia, die – flankiert von winkenden, lachenden, fotografierenden Menschen – mitten durch herrliche Städte wie Bologna, Rom, Siena, Florenz führt? Das ist ebenso einmalig wie die Emotionsbrücke, die den Mythos Mille Miglia mit den dröhnenden Rennern verbindet.

All diese rollenden Antiquitäten entstammen noch jener Motorsport-Epoche, die Chronisten die heroische nennen. Damals galt: "Wer Rennen fährt, der muss damit rechnen, die Heimfahrt im Sarg anzutreten." Einige der Renngeräte, die heute "die Mille" bestreiten, waren schon vor 60 oder 80 Jahren dabei. Auf den endlosen Geraden durch die Po-Ebene, im hügeligen Auf und Ab der Toskana oder im Kurvengewirr des Raticosa-Passes.

Ja, diesen Mercedes 300 SLR, den jetzt Ex-Weltmeister Mika Häkkinen steuert, fuhr 1955 Juan-Manuel Fangio. In jenem Alfa Romeo 8C 2300 Monza hockte einst Tazio Nuvolari, in jenem Ferrari 750 Alberto Ascari und in diesem Bugatti 35 saß Louis Chiron. Solche Autos sind Schätze. Wie ein Monet oder ein Picasso.

Diese Geschichtsträchtigkeit gibt es kaum irgendwo. Die brodelnde Begeisterung auch nicht. In Bologna wird die nächtliche Etappenankunft wie eine Theaterpremiere zelebriert. Zehntausende drängeln sich. Bars und Restaurants sind brechend voll. Überall schwappt die Begeisterung hoch, und die Bilder gleichen sich.

Ob in Verona, Siena, Orvieto oder tief in den Abruzzen: Tausende harren an den Straßenrändern. Überall werden Kameras hochgehalten. Kinder haben schulfrei und winken mit VW- oder BMW-Fähnchen. Mädchen blinkern aufmunternd, alte Männer krächzen "bella macchina", und manchmal bahnt sogar ein Priester mit wehender Soutane den Autos den Weg vorm Kirchenportal.

Carabinieri rufen selbst bei roter Ampel anfeuernd "avanti", und sie schieben kräftig, wenn ein überhitzter Motor mal streikt. Die Mille Miglia ist Italiens Volksfest: "La corsa più bella del mondo" – das schönste Rennen der Welt. Wäre so etwas in Deutschland denkbar? Kaum.

Solche blau leuchtenden Sommertage verscheuchen jegliche Melancholie, über die Welt zu verzweifeln. Hier gibt es keine Debatte über das Auto oder . Längst haben Mercedes, BMW und der Volkswagen-Konzern diese Gala als Werbebühne erkannt. Glücklicherweise. Nur so kann die Mille Miglia überleben.