Scharniere, die hinten befestigt sind: Ein Vorteil für das Einsteigen oder nur ein Mode-Trend?

Bei vielen Autodesignern gelten sie derzeit als letzter Schrei: Türen, die ihre Scharniere am hinteren Ende haben und auch nach hinten aufgeklappt werden.

Besonders von derartigen Fond-Türen versprechen sich die Techniker einen bequemeren Einstieg für die Passagiere – vor allem, wenn auch auf die so genannte B-Säule zwischen vorderer und hinterer Tür verzichtet wird. Dieser Trend, der heute als neue Idee gepriesen wird, erlebte bis in die 50er-Jahre hinein schon einmal einen Boom – und gelangte unter dem Namen "Selbstmördertüren" zu zweifelhafter Berühmtheit.

Seit 1961 verboten

"Grundsätzlich sind solche Türen bei uns seit 1961 verboten", sagt Martin Kraut, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Motorveteranen-Clubs (Deuvet) in Frankfurt/Main. Denn das Türprinzip hatte in seiner ursprünglichen Version gefährliche Nachteile. "Es konnte passieren, dass während der Fahrt das Schloss aufsprang. Wenn der Fahrer dann versuchte, die Tür zu halten, konnte er durch den Winddruck von der Tür aus dem Wageninneren herausgerissen werden", so Kraut. Herkömmliche Türen hindert dagegen der Fahrtwind am Öffnen.

Laut Bert Korporal vom TÜVNord in Hannover konnte sogar das Anschieben des Wagens gefährlich werden. Wer alleine an der Seite des Wagens schob, musste bei geglücktem Startversuch in der Regel nach dem Öffnen der Tür erst einmal um sie herum laufen – und konnte dann von ihr erfasst werden. Wer die Tür wohlweislich offen ließ, musste aufpassen, vor dem Platznehmen nicht doch noch erwischt zu werden.

Solche Gefahren sind für die Konstrukteure Vergangenheit. Derzeit überbieten sie sich auf Automessen mit Studien und Konzepten für Autos mit "gegenläufig öffnenden Türen". Einige Modelle sind über das Studien-Stadium hinaus. Prominentes Beispiel: der neue Rolls-Royce Phantom. Die noble BMW-Tochter im britischen Goodwood hat zwar nicht auf die B-Säule verzichtet, verspricht aber trotzdem noch bequemeres Einsteigen zur hinteren Sitzbank der Luxuslimousine.

Damit die gesetzlichen Auflagen erfüllt werden konnten, die eine Zulassung trotz des prinzipiellen Verbots möglich machten, musste unter anderem verhindert werden, dass sich die Türen während der Fahrt öffnen. Dazu wurde ein Elektronik- Sicherheitssystem entwickelt. Geöffnete Türen seien damit bei einer Fahrgeschwindigkeit von mehr als 4 km/st unmöglich, so Rolls-Royce.

Auch in anderen Fahrzeugkategorien sind gegenläufig öffnenden Türen wieder zu finden. Bei Mazda heißt das Prinzip Freestyle-Türsystem und wird für einige Pickups der B-Serie sowie in dem vom Sommer an erhältlichen Wankel-Sportwagen RX-8 angeboten. Anders als die Briten hat Mazda jedoch auf die B-Säule verzichtet. "Die Gefahr des Öffnens der Türen bei der Fahrt ist ausgeschlossen", sagt der Techniker Jürgen Büker. "Die hinteren Türen sind so konstruiert, dass sie sich erst öffnen lassen, wenn die vorderen geöffnet sind."

Fachleute teilen jedoch nicht immer die Sicht der Konzerne, dass die Türen praktische Vorteile beim Einstieg haben. "Dabei geht es vor allem um das Design, Hauptsache anders als die anderen", sagt TÜV-Experte Bert Korporal. "Der bequeme Einstieg ins Auto ist in erster Linie abhängig vom Türöffnungswinkel. Diese Türen sind meiner Meinung nach der falsche Weg – Schiebetüren eignen sich da besser."

"Spielerei der Designer"

Hubert Paulus, Techniker beim ADAC in München, stuft die Türidee ebenfalls als "reine Spielerei der Designer" ein – und sieht eine mögliche Gefahr, speziell bei fehlender B-Säule. "Fallen diese massiven Pfosten weg, müssen die Türen im Hinblick auf die Crashsicherheit beim Seitenaufprall ihre Funktion übernehmen. Es wäre fatal, wenn es so zu einem tieferen Eindringen eines aufprallenden Fahrzeugs kommt."

Ein Risiko, das auch einigen Herstellern bewusst ist. So hat Mercedes-Benz den für das Jahr 2004 angekündigten Grand Sports Tourer (GST) als Studie zwar ohne B-Säule und mit "Schmetterlingstüren" präsentiert. Ob er jedoch mit dieser Türanordnung auch auf den Markt kommt, ist noch nicht sicher. Letztlich wird das vom Crashverhalten abhängen. gms