Volkswagens Jetta soll den US-Markt erobern und mit neuem Design-Schwung auch Europäer begeistern.

Jeder weiß es: Das Thema Auto ist hochgradig emotional aufgeladen. Daher ist das allgemeine Interesse auch so riesig. Kein Wunder, dass eine reichhaltige Motorliteratur blüht. Doch häufig liegen die Urteile oder Prognosen der Autotester gnadenlos daneben. Ein Beispiel dafür ist der VW Jetta.

Was gab es da nicht schon für Abqualifizierungen: Nischenauto mit Heide-Design, Spießer-Karre, Langweiler, Golf mit Rucksack. Dennoch behauptete sich dieses VW-Modell unerschütterlich als Bestseller. Fast zehn Millionen Exemplare sind seit 1979 verkauft worden!

Schon die bisherigen Typen dieser Reihe sind in den USA sehr beliebt. Mehr noch: Der Jetta ist das erfolgreichste europäische Auto in Nordamerika. Nun sagt das allein noch nicht viel; denn japanische Konkurrenten wie Toyota Corolla und Honda Civic glänzen mit deutlich stolzeren Absatzzahlen.

Aber der Wolfsburger Konzern geht in den USA in die Offensive: Ein Werk entsteht in Chattanooga/Tennessee, und vor allem respektiert VW jetzt endlich und gründlich den amerikanischen Geschmack.

Bei diesem Eroberungsversuch wird der Jetta, der im Juni mit typisch amerikanischem "Ballyhoo" auf dem Times Square in New York seine Weltpremiere erlebte, als eine Art Speerspitze dienen. Und zwar auf dem Preisniveau von Toyota.

In den nächsten Jahren soll sich in den USA Volkswagens Absatz auf 800 000 Stück verdreifachen. Dabei muss man daran erinnern, dass VW mit dem Käfer vor 40 Jahren schon einmal ähnliche Verkaufszahlen erreicht hatte, ehe man sich in der Ära Hahn – die Gründe sind kaum noch zu verstehen – weitgehend vom US-Markt zurückzog. 1978 hatte VW in Westmoreland (Pennsylvania) sogar ein eigenes Werk gebaut – und 1988 wieder geschlossen.

Der Jetta der sechsten Generation ist nun erstmals kein Golf-Ableger mehr, sondern eine Eigenentwicklung. Mit 4,64 Metern ist er 40 Zentimeter länger als der Golf.

VW-Chef Martin Winterkorn tituliert den Jetta als "höchst emotionales Auto". Doch das muss sich erst noch erweisen. Ja, der Neue gefällt, aber er ist keiner, nach dem man sich umsieht. Wahrscheinlich ist das aber auch gar nicht so wichtig; denn der Jetta besticht durch innere Werte – viel Platz, Wirtschaftlichkeit und gute Qualität.

In Amerika kostet die Grundversion bescheidene 15 900 Dollar! Das sind rund 11 500 Euro. Da drängt sich die Frage auf: Wäre eine solche US-Variante in Deutschland nicht ebenfalls zu verkaufen? Ist es wirklich so, dass deutsche Kunden nur auf High-Tech und Premium-Attribute schauen? Bisher war es so. In der VW-Palette blieben die Basis-Typen meist unbeachtet.

Die US-Version ist gegenüber der Europa-Variante deutlich bescheidener in der Anmutung. Das beginnt bei der Kunststoff-Innenausstattung und endet bei der Achskonstruktion (in USA einfache Verbundlenkerachse, in Europa Vierlenker-Hinterachse). In den USA darf im Jetta auch noch der alte 2,5-Liter-Fünfzylinder-Diesel seinen Dienst tun.

In Deutschland wird der preiswerteste Jetta, der 1,2-Liter-TSI mit 105 PS/77 kW, immerhin 20 900 Euro kosten. "Sparkönig" ist der Blue-Motion-Jetta, der sich mit 4,2 Litern Diesel auf 100 Kilometer begnügt (-Wert 109 g/km).

Der attraktivste Typ der Jetta-Reihe, die im Januar zu haben ist, wird der Zweiliter-TDI sein. Ein geräumiges, handliches, bequemes, angenehmes Auto – für stolze 30 000 Euro.