Auto der Woche

32 Jahre nach dem Debüt vom ersten Frischluft-Golf und 9 Jahre nach dem Abschied vom letzten gibt es wieder ein Golf-Cabriolet.

Jeder, der etwas älter ist, kennt das: Da rollen Autos von früher als gepflegte Oldtimer vorüber oder tauchen im Film und auf Fotos auf. Schon wecken sie plötzlich ein Bündel bunter Erinnerungen! An Urlaubsreisen nach Alassio oder Paris, an die erste Tour mit der Freundin, an die Hochzeitsreise zum Gardasee, an einen Schneesturm am St. Gotthard oder einen Langstrecken-Trip zum Nordkap.

Auch mir blitzten ein paar Erlebnisse durch den Kopf, als jetzt in St. Tropez das neue Golf Cabrio zum Test bereit stand und gleich daneben der Urahn dieses Modells parkte. Ja, am gleichen Ort wurde 1979 der allererste "Frischluft-Golf" präsentiert.

Damals saßen wir abends bei einem Pernod im "Senéquir" am Hafen. St. Tropez lebte noch vom Mythos der Bardot, wirkte romantisch-beschaulich, geradezu verschlafen. Und heute? Staus und protzige Russen-Jachten, Reklameflut, Baulärm und wuselnde Menschenmassen.

Geschichten von damals

Aber die Erlebnisse jener Zeit vor über drei Jahrzehnten erwachen, als ich das alte Golf-Cabrio umkreise, diesen Ur-Typ mit fest verschraubtem Sicherheitsbügel über dem Innenraum. "Erdbeerkörbchen" wurde dieses Modell genannt.

Was damals war? Zunächst mussten wir auf dem Flug an die C�'te d‘Azur notlanden, weil wegen Überhitzung eines der Boeing-Triebwerke ausfiel. Beim Blick aus dem Bordfenster sahen wir unter uns die Feuerwehren mit Blaulicht heransausten. Na, ja: Die Sache ging gut.

Als wir kurz darauf im neuen Wolfsburger "Oben-ohne-Typ" in den Seealpen umherkurvten, ereignete sich eine zweite Geschichte. Eine hübsche. Wenn ich ein Golf Cabrio sehe, muss ich daran denken. Wir wollten Geld tauschen und betraten in einem winzigen Ort – ich glaube, er hieß St. Martin-Vésubie – eine Bank. Ein Beamter saß im Halbdunkel und las den "Nice Matin". Vor ihm auf dem Tresen blinkte ein riesiger, roter Knopf.

"Was ist das denn?", fragten wir. "Der Alarmauslöser. Bei Überfällen." Hhmm. "Gibt es hier denn eine Gendarmerie?" wollten wir wissen. "Nicht direkt," sagte der Beamte und lächelte. " Wir haben deshalb den Knopf lediglich mit der Bar gegenüber verbunden. Wenn wir klingeln, bringt uns der Garcon einen Espresso." Das waren noch Zeiten!

Zurück zum Thema. Volkswagen hatte1974 mit der gelungenen Premiere des neuen Golfs den drohenden k.o. des Konzerns – ausgelöst durch allzu lange Käfermonokultur – gerade noch abwenden können. Es ging aufwärts. Golf GTI und Golf Diesel wurden Bestseller, wurden sofort von der Konkurrenz kopiert. Beim Golf-Cabrio war es ebenso.

Dies überraschte; denn niemand glaubte damals so recht an einen Boom von Cabrios. Gut, es gab ein paar. Von Porsche, Mercedes, Karmann und anderen. Aber eigentlich verlangte kaum jemand ein Stoffdach-Modell. Bis das Golf-Cabrio kam, das "Erdbeerkörbchen".

Mit diesem Hit eines Nischenautos brach in Deutschland eine Art Cabrio-Flut los. VW löste sie aus. Und so genoss der offene Golf lange, lange eine Art Kult-Status.

Bei VW wurde das Golf-Cabriolet später etwas vernachlässigt. Der Eos kam, mit seinem Stahlklappdach eher ein lauer Mix aus Coupé und Cabrio, für manche ein Langweiler.

Nun gibt es – nach vielen Jahren Unterbrechung – wieder das Original: Golf-Cabrio mit Stoffdach. Ein Auto, das – schon wegen seiner Tradition – speziellen Charakter besitzt. Kein Zweifel: Es wird ein Erfolgstyp.

Cabrio-Spaß ohne "Henkel"

1979 lautete die Überschrift meines Artikels: "Der Golf, in dem die Haare fliegen". Im Golf-Cockpit Jahrgang 2011 fliegen keine Haare mehr. Nicht, weil ich etwa keine mehr hätte, sondern weil es absolut windstill ist bei offenem Verdeck. Und einen "Henkel" über den Sitzen gibt es auch nicht mehr. Der ist jedoch im Rahmen verborgen und wird elektronisch aktiviert, sollte wirklich mal ein Überschlag drohen.

So bietet der Neue alle Herrlichkeit des Offenfahrens. Man sieht mehr, der Duft von Meer, Holz und Blüten weht heran. Die Sonne prickelt auf der Haut. Cabriofahren ist wunderbar. Vor allem, weil man genüsslich dahingleitet. So gesehen reicht die kleinste Motorisierung – wie hier der 1.2-TSI. Cabriovergnügen kommt ohne PS-Rausch aus.