Osterode. Die Slot Racer von Osterode sind ein gut gehütetes Geheimnis im Harz. Dabei haben die Männer des Slot Racing Clubs etwas außergewöhnliches geschaffen.

  • Im Osteroder Ortsteil Freiheit treffen sich schon seit 2007 regelmäßig sogenannte „Slotter“ für ihr liebstes Hobby: Modellautorennen.
  • Dafür haben sie in Eigenregie eine riesige Rennstrecke aufgebaut und pflegen sie innig. Auch an Wettkämpfen nehmen die Männer vom Slot Racing Club Osterode regelmäßig teil.
  • Der Club ist eine eingeschworene Gemeinschaft – viele Neumitglieder finden sie dieser Tage nicht mehr. Trotzdem bleiben sie dabei, basteln, fahren Runden und treffen sich mit anderen Clubs.

Ein schwerer Unfall in Osterode am Harz, Ortsteil Freiheit. Bei einem Autorennen verliert in der Spitzkehre der Rennstrecke kurz vor dem Ziel ein schwarzer AMG-Mercedes die Kontrolle, rutscht aus der Bahn und überschlägt sich. Seine drei Konkurrenten müssen scharf bremsen, damit es nicht zur Karambolage kommt. Auf dem Dach bleibt der Mercedes liegen, blockiert die Bahn: Der Wettkampf muss unterbrochen werden. Doch kaum einen Herzschlag später kommt die Rettung herbei: Eine große Klaue senkt sich vom Himmel herab, greift sich das Fahrzeug und setzt es wieder in die Spur. Das Rennen kann weitergehen.

Eine dramatische Szene ganz im Kleinen – für die Slot Racer in Osterode ist sie nichts Besonderes. Sie fahren Autorennen, elektrisch und im Maßstab 1 zu 28 oder 1 zu 32. Auf rund 25 Quadratmetern haben sie sich den Traum von der Riesenrennbahn erfüllt, den so mancher Junge vor ihnen schon geträumt hat. Eine Carrera-Bahn – so dürften die meisten Menschen das besondere Hobby der Osteroder kennen – wollen sie ihre Konstruktion aber nicht nennen. Carrera, das sei nur ein Hersteller von vielen und bei echten Enthusiasten nicht unbedingt der beliebteste.

Mehrere Monate haben sie an ihrer Bahn gebaut: Seit 2007 ist die Slot Car Bahn das Herzstück des Clubs in Osterode.
Mehrere Monate haben sie an ihrer Bahn gebaut: Seit 2007 ist die Slot Car Bahn das Herzstück des Clubs in Osterode. © FMN | Kevin Kulke

Was ist Slot Racing und wo gibt es das im Harz?

Seit 2007 schon surren in Freiheit die Flitzer der Slot-Racer, wie man das Hobby nennt, durch den Hobbyraum. Im zweiten Stock über einem Baustoffhandel haben sie sich ihr Refugium mit allem ausgestattet, was eine echte Rennbahn so braucht: Poster und Flaggen von Autoherstellern und ihren Zulieferern, Kalender mit den bekannten Rennautos von Formel 1 oder DTM. Der Raum versprüht den Boxenstopp-Charme einer richtigen Schrauber-Werkstatt, nur ohne den Geruch nach altem Öl und kalten Aschenbechern. Im Mittelpunkt steht die Rennstrecke. Bis zu vier sogenannte Slotter können hier gleichzeitig gegeneinander antreten. Aufgebaut haben sie die Riesenrennbahn weitestgehend alleine: ein Liebesdienst an ihr gemeinsames Hobby.

Das „Slotten“, wie die Experten es nennen, muss nämlich kein einsames Hobby für verschrobene Einzelgänger auf dem Dachboden sein. Der Clubvorsitzende Uwe Probst erinnert sich im Gespräch mit dem Harz Kurier, an die frühen Tage des Clubs: „Ich habe mit meinem Sohn eine Bahn bei uns zu Hause aufgebaut. Die wurde immer größer und größer. Irgendwann habe ich ein Angebot für eine auf Holzplatten montierte Bahn im Rheinland gesehen.“ In Probst reift der Plan, das Hobby auf die nächste Ebene zu heben.

Die „Slot Cars“ müssen nicht teuer sein. Manche Modelle kosten rund 20 Euro. Aber natürlich besteht Eskalationsstufe: Für die ganz besonderen Fahrzeuge legt man schon mal über 200 Euro auf den Ladentisch – die dann aber nicht automatisch besser sind.
Die „Slot Cars“ müssen nicht teuer sein. Manche Modelle kosten rund 20 Euro. Aber natürlich besteht Eskalationsstufe: Für die ganz besonderen Fahrzeuge legt man schon mal über 200 Euro auf den Ladentisch – die dann aber nicht automatisch besser sind. © FMN | Kevin Kulke

Wann treffen sich die Modellauto-Fans in Osterode am Harz?

Die ganze Anlage aufzubauen, das waren mehrere Monate Arbeit, berichten die Mitglieder. Fast 80 Kilo Lack haben sie auf die Strecke aufgetragen, mussten den Raum mit Zeltbahnen auskleiden und selbst Atemmasken tragen. Die Bahn ruht seitdem auf Einwegpaletten – gut verborgen unter den schwarz-weiß karierten Check Flags, die man aus dem Motorsport kennt. Auch die Elektrik haben sie selbst angeschlossen, kompliziert war das nicht: „Jeder Autofahrt hierher ist gefährlicher“, erklärt Mitglied Mathias Keller dazu. Seitdem ist die Bahn ihr Allerheiligstes. Meistens freitags, je nach Schicht- und Familienplan, finden sie sich nachmittags in ihrem Clubraum ein und fahren um die Wette. Der Computer misst die Rundenzeiten auf die Zehntelsekunde genau, jeder muss jede der vier Bahnen einmal fahren: „Wenn die Ampel ausgeht, ist maxium attack“, sagt Mathias Keller. Bei Rennen gibt es kein Pardon.

Am Streckenrand gibt es viele Details zu entdecken.
Am Streckenrand gibt es viele Details zu entdecken. © FMN | Kevin Kulke

Eine gute Rundenzeit für die etwa 60 Meter lange Strecke sind 18 Sekunden. Das Geheimnis ist wie bei einem großen Autorennen das richtige Bremsen. Wann man die Geschwindigkeit herausnimmt und wie man am besten beschleunigt, hängt von Gespür, Talent und Konzentration ab: „Es ist unter Todesstrafe verboten, den Fahrer abzulenken“, erklärt Keller und lacht. Ein Rennen dauert acht Minuten, wer am Ende in dieser Zeit am weitesten gekommen ist, wird der Sieger.

Wenn die Ampel ausgeht, ist maximum attack
Mathias Keller - Mitglied im SRCO

Den Männern beim Wettkampf zuzusehen, erinnert bisweilen an ein Tennismatch. Dauernd wandern die Köpfe von links nach rechts, die Augen flitzen über die Bahn und versuchen in jeder Kurve oder unter jeder Brücke dem eigenen Auto zu folgen. Man darf die versteinerten Mienen der Fahrer nicht mit Verdruss verwechseln: Was nach Langeweile aussieht, ist höchste Konzentration gepaart mit immenser Anspannung. Modellbauauf Steroiden sozusagen.

Der Slot Racing Club Osterode ist schon seit 2007 im Ortsteil Freiheit aktiv. Dirk Böning zeigt sein Können beim Wettrennen.
Der Slot Racing Club Osterode ist schon seit 2007 im Ortsteil Freiheit aktiv. Dirk Böning zeigt sein Können beim Wettrennen. © FMN | Kevin Kulke

Um zu siegen muss man es erstmal erfolgreich ins Ziel schaffen

Bei vier Autos, die mit irrsinniger Geschwindigkeit über die Bahn flitzen, bremsen, beschleunigen und immer wieder auch mal hinausfliegen, ist es eine Herausforderung überhaupt im Blick zu behalten, welches Fahrzeug eigentlich das eigene ist: „Before you finish first, you have to finish first“, gibt Mathias Keller eine alte Slotter-Weisheit zum besten. Sinngemäß: Bevor man Erster werden kann, muss man erstmal ins Ziel kommen. Die Autos, die drohen auf der Strecke zu bleiben, werden von der Seite mit geübtem Handgriff wieder in die Bahn gesetzt – oder auch mal wie eingangs mit dem praktischen Greifarm aus schwer zugänglichen Kurven gehoben.

Bei Rennen gilt: allerhöchste Konzentration. Ablenkungen sind „bei Todesstrafe“ verboten.
Bei Rennen gilt: allerhöchste Konzentration. Ablenkungen sind „bei Todesstrafe“ verboten. © FMN | Kevin Kulke

Am Ende ist es wie bei so vielem: Wer fleißig übt, wird auch irgendwann erfolgreich. „Ich habe 14 Jahre gebraucht, bis ich mal Clubmeister war“, erzählt Keller. Sein Weg zu den Slot Racern war dabei überhaupt ungewöhnlich. Seine Frau hatte ihm damals einen Flyer des Slotcar Racing Clubs vom Friseur mitgebracht – auch eine Form von Mund-zu-Mund-Propaganda.

Nach jeder Runde müssen die Slot-Cars auf die nächste Runde vorbereitet werden. Dazu gehört, ähnlich wie bei den echten Boliden, den Reifenabrieb zu entfernen. Das bewährte Werkzeug der Slotcar-Racer: die Fusselrolle aus dem Supermarkt. Deren klebrige Oberfläche nimmt die Gummireste von den Reifen wie kein anderes Hilfsmittel.

Das Herzstück des Clubs ist die Riesenrennstrecke, die sie in Eigenregie mit viel Liebe aufgebaut haben.
Das Herzstück des Clubs ist die Riesenrennstrecke, die sie in Eigenregie mit viel Liebe aufgebaut haben. © FMN | Kevin Kulke

Ein besonderes Hobby mitten in Osterode am Harz

Der Wettkampf zwischen den Slotcar-Racern ist zwar Bestandteil des Clubdaseins, aber nicht unbedingt das Wichtigste. Eigentlich geht es mehr um die geteilte Leidenschaft, die Freundschaft untereinander und das Club-Drumherum. An Wettkämpfen mit anderen Clubs nehmen sie aber trotzdem teil, zum Beispiel den Tourenwagen Supercup im September, für den sie aktuell trainieren. Dort messen sich die Jungs aus dem Altkreis Osterode dann mit anderen Slotcar-Fans aus Kassel, Braunschweig und Hildesheim. Ob sie auf den Strecken der anderen Vereine bestehen können, wird sich dann zeigen. Ihr eigener Streckenrekord liegt bei 14 Sekunden, aufgestellt einst von Thomas Schön, der aber leider schon vor ein paar Jahren verstorben ist. Niemand konnte ihn seitdem schlagen, auch wenn sie es versucht haben, wie die Mitglieder eingestehen. Zuletzt haben sie als Team 2019 den Cup errungen – den Pokal haben sie stolz im Clubraum aufgestellt.

Der Slot Racing Club Osterode ist schon seit 2007 im Ortsteil Freiheit aktiv. Das Herzstück des Clubs ist die Riesenrennstrecke, die sie in Eigenregie mit viel Liebe aufgebaut haben. Von links: Dirk Böning, Tobias Böning, Björn Brandt, Uwe Probst, Mathias Keller, Jens-Oliver Nordheim
Der Slot Racing Club Osterode ist schon seit 2007 im Ortsteil Freiheit aktiv. Das Herzstück des Clubs ist die Riesenrennstrecke, die sie in Eigenregie mit viel Liebe aufgebaut haben. Von links: Dirk Böning, Tobias Böning, Björn Brandt, Uwe Probst, Mathias Keller, Jens-Oliver Nordheim © FMN | Kevin Kulke

„Es ist ein nieschiges Hobby“, sagt Uwe Probst selber: „Die Community wird kleiner. Es kommen nur wenige – aber es gehen noch weniger.“ Seit ein paar Jahren stagniert der Club, etwa acht Mitglieder zählen sie zum harten Kern, mit den weniger aktiven Mitgliedern sind sie etwas über ein Dutzend. „Ich vermute, wir schließen den Laden irgendwann mal ab“, befindet der Clubvorsitzende etwas wehmütig. Er und seine Kumpanen gehören noch zu der Generation, die als Kinder schon Rennbahnen hatten und die Liebe dazu nie verloren haben. Doch Rennenthusiasten fahren heute meistens lieber am Computer, mit dessen Möglichkeiten sie nicht mithalten können. Trotzdem freuen sich die Slotcar-Fans immer über neue Interessenten, teilen Erfahrung, Bastelkenntnisse und auch mal Fahrzeuge mit Neulingen.

Wer Interesse gefunden hat, kann sich im Internet über den Slot Racing Club Osterode informieren. Neue Mitglieder sind immer willkommen: www.srco.de

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