Osterode. Immer mehr Geschäfte in Osterodes Altstadt geben auf, der Leerstand grassiert. Im Interview spricht Bürgermeister Jens Augat über Wege aus der Krise.

  • In den vergangenen Monaten haben mehrere Geschäfte in Osterode ihre Filialen geschlossen. Der Leerstand in der Altstadt ist zum unübersehbaren Problem geworden.
  • Im Interview mit dem Harz Kurier beschreibt Bürgermeister Jens Augat die schwierige Lage: Seit Corona und der Krise in der Ukraine hat sich die Lage für die gebeutelten Innenstädte nur weiter verschärft.
  • Welche Lösungen für Osterode denkbar wären, erklärt der Verwaltungschef im Interview.

In Osterode kommt eine Ladenschließung nach der anderen: auf das Gebäckeck, den Donut-Shop und MäcGeiz folgte der Aldi in der Leege. Nun ist auch der Woolworth auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Innenstadt ähnelt teils schon einer Geisterstadt. Jetzt haben wir zum Thema Leerstand in Osterodemit Bürgermeister Jens Augat (SPD) und dem Presssprecher Uwe Breyer gesprochen. Im Interview geht es um Denkmalschutz, ausländische Investoren und den Weg zu einer belebteren Innenstadt.

In den letzten Wochen haben drei Geschäfte in der Osterode Innenstadt geschlossen. Was macht das mit Ihnen, Herr Augat?

Augat: Wir freuen uns über jedes Geschäft, das bespielt wird und blicken mit Sorge darauf, wenn sich ein Geschäft verabschiedet. Es ist für uns als Stadt oft sehr schwierig, nachzuvollziehen, warum es dazu gekommen ist.

Aus welchen Gründen kommt es denn oft zur Schließung?

Augat: In meinen vier Jahren als Bürgermeister laufen wir von einer Krise in die nächste. Nur wenige Monate nach meinem Amtseintritt war die Corona-Pandemie. Das war eine Katastrophe für den Einzelhandel und auch für viele Geschäfte. Danach kam der Ukraine-Krieg. Uns geht es hier vergleichsweise gut, bei uns fallen keine Bomben. Trotzdem ist der Krieg natürlich auch bei uns mit Preiserhöhungen verbunden. Das merken die Menschen in ihrem Geldbeutel und damit merken das auch die Geschäfte. Dazu kommt der weiterhin steigende Online-Handel.

Hat die Altersstruktur der Einzelhändler damit auch etwas zu tun?

Augat: Es ist oft sehr schwierig, eine Nachfolgeregelung zu finden.

Breyer: Das ist einer der Gründe, warum der Einzelhandel in den letzten 20 Jahren so zurückgegangen ist. Es gab bei uns viele inhabergeführte Geschäfte und die Erben wollen das oft nicht übernehmen. Und dann steht der Laden erstmal leer. Es gibt drei Phasen im Leerstand: den temporären, den strukturellen und den spekulativen.

Können Sie das genauer erläutern?

Breyer: Zunächst einmal ist ein Leerstand nur temporär. Wenn nach einem bestimmten Zeitraum – etwa einem Jahr – nichts passiert, dann wird es strukturell. Die Struktur hat sich dann so verändert, dass man schon forschen muss, wie man innerhalb der Familie oder planerisch an das Haus rangeht. Das ist aber nicht Aufgabe der Stadt. Da können wir höchstens unterstützen.

... und der spekulative Leerstand?

Breyer: Das ist das, was uns am meisten ärgert. Manche Investoren kaufen Häuser und vermieten diese, ohne vorzuhaben, die Immobile zu entwickeln oder zu sanieren. Wenn das Haus irgendwann zusammenfällt, ist es auch egal. Der Grund ist nämlich oft wertvoll und nicht das Gebäude.

Bürgermeister von Osterode am Harz, Jens Augat (SPD): „In meinen vier Jahren als Bürgermeister laufen wir von einer Krise in die nächste.“
Bürgermeister von Osterode am Harz, Jens Augat (SPD): „In meinen vier Jahren als Bürgermeister laufen wir von einer Krise in die nächste.“ © FMN | David Krebs

Sind da auch ausländische Investoren ein Problem?

Breyer: Das gibt es durchaus, aber es sind nicht unbedingt die Schlüsselimmobilien.

Augat: Ich erinnere mich noch an das alte Kino. Diesen Abriss zu koordinieren, war eines der ersten Themen meiner Amtszeit. Das Gebäude gehörte einer Erbengemeinschaft, die europaweit verteilt war. Da mussten wir mit dem Konsulat in Madrid korrespondieren und das war extrem kompliziert. Es gibt viele Gebäude, die Erbengemeinschaften oder Investorengruppen gehören.

Wie groß ist das Problem Leerstand in Osterode?

Augat: Es gibt zum Thema Leerstand keine einfachen Antworten. Die Bedürfnisse sind andere als vor 20 Jahren. Wir sprechen heute nicht mehr von einer Einkaufstadt. In Wissenschaft und Politik geht es heute eher darum: Wie bringen wir wieder Leben in die Stadt? Wie ermöglichen wir Wohnen in der Stadt? Wie schaffen wir es, die Aufenthaltsqualität zu steigern? Dafür steht uns ein riesiger Baukasten an Maßnahmen zur Verfügung. Was wir hingegen schwierig finden, ist die Erwartungshaltung, dass die Stadt die Geschäfte füllt. Da muss man so ehrlich sein: das können wir nicht.

An welchen Stellen ist der Leerstand besonders schlimm?

Dieses Problem gibt es vor allem in der Altstadt. Das ist ein explizites Thema in der Innenstadt und wir beschäftigen uns damit intensiv.

Inwiefern ist der Denkmalschutz für den Osteroder Leerstand ein Faktor?

Augat: Der Denkmalschutz liegt beim Landkreis. Das unterscheidet uns von den anderen Städten im Fachwerk-Fünfeck. Die Stadt Osterode hat den Denkmalschutz damals an den Landkreis Osterode abgegeben und mit der Fusion ist die Zuständigkeit nach Göttingen gegangen. Es ist ein schwieriges Thema. Das merken wir auch bei unseren eigenen Immobilien: der Schachtruppvilla oder das Johannistorhaus. Bei diesen alten Gebäuden müssen oft auch Denkmalschutz und Brandschutz in Einklang gebracht werden.

In der Osteroder Innenstadt ist der Leerstand ein großes Problem.
In der Osteroder Innenstadt ist der Leerstand ein großes Problem. © FMN | David Krebs

Welche Projekte werden Sie in Zukunft zuerst angehen?

Augat: Wir arbeiten sehr intensiv an der Planung des Kornmarkts. Da wird in diesem Jahr nichts mehr passieren und letztendlich entscheidet der Stadtrat, wann es losgeht. Ich persönlich denke aber, dass unsere Altstadtstraßen saniert werden müssen. Wir werden einen Sanierungsplan vorlegen, losgehen soll es mit dem Kornmarkt und der Marientorstraße. Danach sollen sukzessive die anderen Straßen drankommen, sodass wir am Ende eine alle Altstadtstraßen – inklusive der technischen Infrastruktur - modernisiert haben.

Was tut die Stadt Osterode, um die Innenstadt zu beleben?

Augat: In diesem Jahr hatten wir unter anderem das Stadtfest, den Beachcup, das Oldtimertreffen, das Lichterfest und den Weltkindertag. Wir hatten also durchaus mehr als eine Veranstaltung, wo die Stadt wirklich voll war. Das ist auch ein Punkt, der die Attraktivität unserer Innenstadt steigert. Dazu kommt das City-Management und viele Kleinigkeiten wie neue Mülleimer oder Fahrradanlehnbügel.

Herr Augat, was würden Sie jemanden sagen, der in die Innenstadt investieren möchte?

Augat: Wir gehen auf jeden, der eine Idee hat, der etwas entwickeln will, offen zu. Er hat immer unsere Unterstützung. Wir versuchen Brücken zu bauen, versuchen Kontakte herzustellen und mit Nachdruck darauf hinzuweisen, wie wichtig uns das als Stadt ist. Über das Fachwerk5Eck gibt es bereits Fachwerksprechstunden. Jeder, der ein Fachwerkhaus besitzt oder einen Kauf plant ist herzlich zu einer kostenlosen Beratung eingeladen.

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