Rio de Janeiro. Eine Leistungssport-Reform soll noch vor Jahresende präsentiert werden.

Für den deutschen Sport wird es ein heißer Herbst. Nach Kontroversen, Scharmützeln und Friedensschlüssen soll die Reform der Spitzensportförderung präsentiert werden. Bekommen die auch bei den Olympischen Spielen in Rio nicht erfolgreichen Verbände weniger und die erfolgreichen mehr Geld? Wer fällt hinten runter, wer steigt auf? Wird alles besser? Die Reform ist ein Reizthema.

Deshalb sorgte ein kurz vor Olympia vom Bundesinnenministerium (BMI) an die Verbände adressierter Brief für Ärger. Darin wurde angekündigt, nur 75 Prozent der bisherigen Mittel für das Leistungssportpersonal für 2017 „in Aussicht“ zu stellen, um den Spitzenverbänden „mehr Planungssicherheit für die Erstellung von Trainerverträgen zu geben.

„Es ist unglücklich, so etwas kurz vor den Spielen zu machen. Ich finde das schade“, sagte Peter Frese, Präsident des Deutschen Judo-Bundes. „Das ist so, als ob meine Frau mir während meiner Zeit in Rio gesagt hätte, wir müssen mal über unser Zusammenleben nachdenken.“

Was den Inhalt angeht, ist Frese bereits froh über die Zusage von 75 Prozent der Mittel. „Das ist normal, dass das unter Vorbehalt geschieht. Ich hoffe, dass wir auf 125 Prozent kommen.“

So entspannt sehen es nicht alle Verbände. Schließlich ist am Jahresanfang in den erstmals geführten Strukturgesprächen zwischen DOSB und Spitzenverbänden für das Leistungssportpersonal ein erheblicher Finanzmehrbedarf ermittelt worden. „Insofern vermittelt die zum aktuellen Zeitpunkt vom BMI in Aussicht gestellte Finanzierung keine hinreichende Planungssicherheit, sondern ist ein Rückschritt für alle Spitzenfachverbände“, kritisierte Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

„Als ein elementares Strukturmerkmal der Spitzensportreform wurde stets postuliert, den Trainer und den Athleten in den Mittelpunkt aller Überlegungen zu stellen“, argumentierte er. Deshalb müssten langfristige Perspektiven, eine Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen sowie eine adäquate Anzahl von Trainerstellen für die Zukunft sichergestellt werden. „Den Spitzenfachverbänden einen möglichen Abbau ihrer Trainerstrukturen bis zum Jahresende zu offerieren, erscheint mir kontraproduktiv“, meinte Kurschilgen.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sieht das anders. „Wenn man jetzt für vier Jahre 100 Prozent vorwegnehmen würde, dann hätten wir die klassische Konstellation, dass im Grunde ein Weiter so für die kommende Olympiade festgeschrieben wird“, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann, der auch in Rio für die große Sport-Reform warb.

„Ich habe gelesen, dass Sportdeutschland Angst vor dieser Reform hat“, sagte Hörmann. In unzähligen Gesprächen habe er aber das Gegenteil erfahren. Wenn irgendetwas entwickelt worden wäre, was zu Sorge und Angst führen würde, „dann hätten wir unsere Aufgabe nicht ordnungsgemäß gemacht“. Es gebe bis heute nicht eine einzige Stimme im deutschen Sport und in der Politik, die sagt: Vorsicht, Ihr geht in die falsche Richtung und wir machen uns Sorgen.

Dafür wurden immer wieder Stimmen laut, dass es bei der Entwicklung der Reform an Transparenz und Einbindung der Spitzenverbände gefehlt habe. „Tatsächlich kenne ich nur rudimentäre Linien der Reform“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop.

Eine neue Förderstruktur reicht nach seiner Ansicht nicht, um Deutschland fit für den Konkurrenzkampf in der Weltspitze zu machen. „Ich glaube, mit mehr Geld kann man mehr machen. Da kann ich für die Leichtathletik sprechen“, sagte er.

Bei den Peking-Spielen 2008 habe der DLV nur eine Medaille gewonnen. Danach habe sein Verband eine Erhöhung der Fördermittel erhalten und konnte sich schlagartig verbessern – auf acht Medaillen in London 2012. „Allerdings wäre es ein Irrglaube, die Mittel beliebig zu erhöhen und es kommt mehr Erfolg raus“, warnte Prokop. „Die Athleten sind keine Maschinen, in denen ich oben Geld reinwerfe und unten kommen Medaillen raus.“ Der DLV konnte es in Rio erleben: Da gewannen nur die Diskus- und Speerwerfer zusammen drei Medaillen. dpa