Braunschweig. Die Prognose der NBank lässt aufhorchen. Neumieter zahlen ordentlich drauf, alte Verträge sind meist moderat.

Mietspiegel_BS

Wenn Makler Dirk Teckentrup den Auftrag erhält, in Braunschweig eine Mietwohnung zu finden, geht es meistens um den Klassiker: „Gefühlt jeder zweite Anrufer sucht die Zwei-Zimmer- oder Vier-Zimmer-Wohnung im östlichen Ringgebiet, möglichst günstig und mit Parkplatz.“

„In einem Mietmarkt wie Braunschweig bekommt derjenige die Wohnung, der mit den meisten Geldscheinen wedelt.“
„In einem Mietmarkt wie Braunschweig bekommt derjenige die Wohnung, der mit den meisten Geldscheinen wedelt.“ © Timo Sass, Geschäftsführer des Mietervereins Braunschweig und Umgebung

Doch eine günstige Wohnung zu finden, wird in Braunschweig nicht nur im östlichen Ringgebiet immer mehr zum Problem. Auch die Walllagen und der Zuckerberg zählen zu Braunschweigs ersten Adressen. Zudem sind gut ausgestattete Wohnungen in Innenstadtlage oder in zentraler Lage mit guter Anbindung zur Innenstadt sehr gefragt.

Teckentrup beobachtet, dass es in diesen Lagen immer weniger Mietwohnungen gibt. Viele dieser Wohnungen werden in Eigentumswohnungen für Eigennutzer umgewandelt.

Klar, es gibt auch in Braunschweig noch den Altvertrag, bei dem der Mieter weit unterhalb der 5-Euro-Grenze pro Quadratmeter zahlt. Diese Wohnungen, in denen die Mieter seit 20 Jahren und mehr zu Hause sind, liegen meist in der Weststadt, in Bebelhof, in Rüningen oder im Siegfriedviertel. Viele der Stadtteile mit bezahlbaren Mieten sind an der A 391 gelegen.

Andreas Meist, Geschäftsführer des Braunschweiger Eigentümer-Vereins Haus & Grund, verweist auf eine Studie des Instituts Gewos. „Für eine Großstadt wie Braunschweig ist der Anteil der äußerst preisgünstigen Wohnungen erstaunlich hoch“, sagt er.

Doch der Trend zur selbst genutzten Eigentumswohnung, der geringe Neubau im Geschosswohnungsbau und die steigende Einwohnerzahl Braunschweigs führt zu einer immer mehr spürbaren Wohnungsknappheit – und steigenden Mietpreisen. Alleine die Anzahl der Studenten hat sich seit dem Wintersemester 2012 um mehr als 3000 Studenten auf gut 20 000 erhöht. Oft sind besonders die Studenten Leidtragende der Entwicklung.

Laut dem Wohnungsmarktbericht der landeseigenen NBank aus dem vergangenen Sommer wächst Braunschweigs Bevölkerung von 250 000 Einwohnern bis 2035 um 13 Prozent. Kommt es tatsächlich so, fehlen in der Stadt in knappen 20 Jahren 20 000 Wohnungen – so die Hochrechnung. Doch bis dahin kann viel passieren. Die Stadt steuert entgegen (siehe Interview unten).

Meist von Haus & Grund und auch Makler Teckentrup halten von solchen Zahlenspielen wenig. Das gilt auch für einen weiteren Bericht der NBank, die das Landessozialministerium beim Mietmarkt berät. Demnach zahlen Neumieter in Braunschweig satte 23 Prozent mehr als der Landesschnitt. Teckentrup meint: „Das ist doch eine verzerrte Statistik. Das sagt doch nur aus, dass Niedersachsen ein Flächenland ist, und es unheimlich viele Regionen gibt, wo wir wenig Nachfrage nach Mietwohnungen haben.“

Meist sagt zu den 23 Prozent: „Diese höhere Miete ist bei den Kosten der Mobilität schnell eingespart. In Braunschweig haben die Menschen Kindergärten, Schulen und Ärzte vor der Haustür und nicht 20 Kilometer entfernt – von der Anfahrt zur Arbeit ganz zu schweigen.“

Der Trend auf Braunschweigs Mietmarkt ist jedoch eindeutig, mit zum Teil krassen Auswüchsen: Der Mieterverein Braunschweig und Umgebung betreut Wohnungssuchende, die bei Neuvermietungen in den begehrten Lagen mit bis zu 50 Prozent Aufschlag bei der Kaltmiete rechnen müssen. Geschäftsführer Timo Sass sagt: „Durch die hohe Nachfrage sind mittlerweile auch in der Vergangenheit weniger begehrte Wohnlagen stark nachgefragt.“ In einem solchen Markt bekomme derjenige die Wohnung, der mit den meisten Geldscheinen wedelt. Sass: „Das führt zu der fatalen Situation, dass sozial benachteiligte Mieter noch größere Probleme als ohnehin haben, eine Wohnung zu finden.“

Mittlerweile sind laut Sass aber auch schon Normalverdiener von der Wohnungsknappheit betroffen. „Es ist derzeit in Braunschweig fast unmöglich, innerhalb der 3-monatigen Kündigungsfrist eine passende neue Wohnung zu finden“ so Sass.

Für Meist von Haus & Grund liegt eine weitere Besonderheit am Mietmarkt in der Stadt im deutlichen Einkommensgefälle begründet. „Einerseits leben in Braunschweig zahlreiche Personen, die auf Transferleistung des Staates angewiesen sind. Andererseits wohnen hier sehr gut verdienende Mitarbeiter der großen Unternehmen wie VW oder Siemens.“ Auch diese besonders zahlungskräftigen Braunschweiger prägen den Markt und sorgen für steigende Mietpreise.

Ein Zankapfel in Braunschweig ist derzeit der Mietspiegel. Ein Blick auf den Mietspiegel reicht, um festzustellen, was Wohnen in Braunschweig kostet. Doch der Eigentümerverein Haus & Grund lehnt eine Fortschreibung des Mietspiegels ab. Meist ist der Auffassung, dass die im Mietspiegel angerechnete Erhöhung der Mietpreise um zwei Prozent viel zu niedrig sei. Der Anstieg in den vergangenen zwei Jahren sei deutlich höher gewesen. Außerdem: Weil das Land Niedersachsen im Sommer eine Mietpreis-Bremse einführen wird, seien Vermieter in Braunschweig doppelt betroffen.

Für Sass vom Mieterverein ist das ein echter Aufreger: „Allein dadurch, dass Haus & Grund sich nicht für eine Fortschreibung des Mietspiegels ausspricht, wird der Mietspiegel nicht abgeschafft. Alle anderen Akteure auf dem Wohnungsmarkt, inklusive der großen Wohnungsunternehmen und der Stadt, sind für eine Fortschreibung. Rechtlich kann sogar die Stadt alleine die Fortschreibung des Mietspiegels beschließen.“

Dabei ist der Mietspiegel in Braunschweig eher grob gehalten (siehe obere Tabelle). Es gibt Städte, bei denen jeder Stadtteil kategorisiert wird und entsprechende Zu- oder Abzüge beim Mietpreis erhält. In Braunschweig aber hat man sich dazu entschieden, das bis auf die Innenstadt und das östliche Ringgebiet nicht zu tun. Die Macher des Mietspiegels wollten zum Beispiel die Weststadt nicht stigmatisieren.

Naturgemäß gehen auch bei der Mietpreisbremse die Meinungen auseinander. Haus & Grund sowie Makler Teckentrup halten sie für unnötig, gar schädlich, weil sie Investitionen vermeiden würde. Auch Sass hält sie nicht für ein Allheilmittel. Seiner Meinung zählt nur eines, um den Markt zu entspannen: „Neubau, Neubau, Neubau.“ Sass hat konkrete Vorstellungen, wie das aussehen soll: „Diese neuen Wohnungen sollten zu mindestens 20 Prozent öffentlich gefördert sein und damit bezahlbare Mieten aufweisen. Wenn man den Neubau dem Markt überlassen würde, würden nur noch hochpreisige Wohnungen von den Bauherren geschaffen.“

Die Entwicklung des Braunschweiger Mietmarkts hängt auch von der VW-Krise und den Flüchtlingszahlen ab. Beides bleibt abzuwarten.