Braunschweig. Richard Kiessler schreibt zum neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr in Mali.

„Ja, von hier aus würde der Einsatz in Mali geführt,“ sagt Generalleutnant Rainer Glatz. Wir stehen in der Operationszentrale des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr bei Potsdam. Hier werden im durchgängigen Schichtbetrieb die derzeit zehn Auslandsmissionen deutscher Soldaten koordiniert. Auf den Bildschirmen flackern die Meldungen der Kontingente aus Afghanistan, dem Kosovo oder dem Golf von Aden, von hier werden die Befehle an die Truppe draußen weiter geleitet. Als die Video-Konferenz mit dem Kommandeur in Kundus beginnt, bittet uns Befehlshaber Glatz, den fensterlosen Kommandostand zu verlassen.

Die 11. Mission der Bundeswehr wird 2013 anlaufen, noch bevor die Kampftruppen vom Hindukusch abziehen. In Berlin redet offiziell niemand über die Operation Wüstensand, weil Auslandseinsätze nicht populär sind. Doch Deutschland muss seiner gewachsenen Verantwortung nachkommen, gibt die Kanzlerin den Ton vor.

In Potsdam nennen die Offiziere das neue Abenteuer bereits „Sahelistan“: Das Rückzugs- und Einsatzgebiet der Al Kaida und der mit ihr verbündeten Dschihad-Gruppen beschränkt sich nicht auf den Norden Malis, es umfasst auch Maghreb-Staaten wie Algerien oder Libyen oder südlich der Sahara auch Nigeria.

Einig sind sich Militärexperten über zweierlei: Dass man über den Kriegsschauplatz so gut wie nichts Verlässliches weiß – nicht einmal, wie stark die von Wehrminister de Maizière als „erbarmungswürdig“ eingestufte malische Armee, die es auszubilden gilt, wirklich ist. Unklar ist zudem, was den deutschen Soldaten dort abverlangt wird: „Auf keinen Fall“, beeilt sich Außenminister Guido Westerwelle zu versichern, werde man sich auf einen „Kampfeinsatz“ einlassen: „Bevor über Instrumente gesprochen wird, müssen die politischen Ziele klar sein.“

Richtig! Nur, sind sie das? Der UN-Sicherheitsrat hat schon grünes Licht erteilt, ein Mandat des Bundestages steht noch aus. Wie viele deutsche Soldaten in die Wüste geschickt werden, wo sie ausbilden sollen – in Malis (noch) befriedetem Süden oder in Algerien, ob sie bewaffneten Schutz erhalten – all dies ist offen und schürt Unbehagen.

Klar scheint nur, dass eine 3000 Mann starke Truppe aus den Staaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas den Wüstenfeldzug gegen Separatisten und Islamisten führen soll. „Jedes europäische Gesicht an der Front verschlimmert die Lage“, sagt ein Offizier in Potsdam.

Übernächste Woche will Lady Ashton, die EU-Außenbeauftragte, einen Plan für den Militäreinsatz in jenem afrikanischen Land vorlegen, das Entwicklungsminister Dirk Niebel „am Abgrund“ wähnt, nachdem sich Rebellen und Gotteskrieger den Norden Malis unter den Nagel gerissen haben und dort die Bevölkerung terrorisieren.

Ob die mit Drohnen und Bomben zu vertreiben sind? Schon warnt der französische Afrika-Experte Philippe Hugon: „Das ist wie mit einem Krebsgeschwür: Nichts zu tun, ist dramatisch. In Aktion zu treten, ist genauso schlimm.“