Braunschweig. Richard Kiessler schreibt über den Umgang Deutschlands mit Russland.

Es war unklug, dass sich Andreas Schockenhoff, der Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, vom Bundestag eine forsche Resolution absegnen lassen wollte, in der die „Gefahr“ von Rückschritten angeprangert werden sollte, die Russland „auf dem Weg zu einem modernen Staat droht.“ Prompt empörte sich das Außenministerium in Moskau über „verleumderische Äußerungen“ und erklärte Schockenhoff quasi zur Unperson. Pflichtschuldig sprangen letzte Woche die Parteifreunde ihrem Fraktionsvize bei. Hinter vorgehaltener Hand lassen die CDU-Außenpolitiker freilich erkennen, wie ungehalten sie über Schockenhoffs Vorstoß sind.

Wer so schrill die Konfrontation sucht, stößt in Russland auf verhärtete Fronten, als gelte es den Kalten Krieg wiederzubeleben. Das Auswärtige Amt spülte denn auch den geplanten Entschließungsantrag weich, indem es die ohne Zweifel zu beklagenden Rückschritte Russlands in Sachen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gesichtswahrend abmilderte.

Tiefe Ratlosigkeit der deutschen Politik

Hinter der Aufregung über den rechten Umgang mit Russland verbirgt sich eine tiefe Ratlosigkeit der deutschen Politik, wie sie dem laut AA-Papier „zentralen und unverzichtbaren Partner“ begegnen soll. Nicht zu leugnen ist ja die härtere Gangart, seit Wladimir Putin als Präsident in den Kreml zurückgekehrt ist. Die Entfremdung im deutsch-russischen Verhältnis ist Ausdruck der sich verschlechternden Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. Putin seinerseits fühlt sich vom Westen erniedrigt und nicht auf Augenhöhe behandelt. Störrisch und voller Frust hadert er mit dem Bedeutungsverlust nach dem Zerfall des Sowjetimperiums und malt seinen Landsleuten mit einigem Erfolg das Bild einer bösen Welt an die Wand, vor der sich Russland hüten muss.

Als ich letzte Woche in Berlin Alexej Puschkow, den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Duma, auf diese offenbar enttäuschten Erwartungen ansprach, suchte der zunächst die Dinge schön zu reden: Das Verhältnis zu Deutschland bleibe „der wichtigste Stützpfeiler im russisch-europäischen Verhältnis.“ Doch die Haltung des deutschen Fürsprechers sei „aggressiver“ geworden, weil Russland mit „ideologischen Dokumenten“ konfrontiert werde, deren Bedingungen „unerfüllbar“ seien.

Fairer Interessenausgleich

ist notwendig

An kein anderes Land, klagte Puschkow, würden ähnlich strenge Maßstäbe gelegt. „Die Defizite bei der Modernisierung der Gesellschaft kennen wir schließlich selbst.“

Selbst Schockenhoff scheint inzwischen zurück zu rudern: „Es geht nicht darum, eine Gegnerschaft mit Moskau zu konstruieren.“ Aber worum geht es? Gewiss nicht nur um ungestörte wirtschaftliche Beziehungen mit dem auf seinen deutschen Kunden angewiesenen Energielieferanten Russland. Sondern auch um einen fairen Interessenausgleich und die Einsicht, dass der Reformprozess dort eben nicht nach westlichem Muster verläuft. Ob das den Schockenhoffs dieser Welt gefällt oder nicht.