Braunschweig. Richard Kiessler, außenpolitischer Korrespondent unserer Zeitung, schreibt über die Rolle Großbritanniens in einem künftigen Europa.

Als Großbritannien und Deutschland in Island einen gemeinsamen Botschaftssitz planten, was unter EU-Partnern in minder bedeutsamen Ländern durchaus üblich ist, kam es zum Streit: Die Briten mochten neben den Nationalfahnen nicht, was durchaus üblich ist, die Europaflagge hissen. Schließlich wurde das blaue Fahnentuch mit den 12 gelben Sternen etwas abseits auf dem Botschaftsdach platziert. Inzwischen residiert man wieder getrennt.

Auf Distanz zur EU, zu mehr Integration sind die Britten seit ihrem Beitritt vor vier Jahrzehnten. Ausgerechnet jetzt, da der Friedensnobelpreis das gedeihliche Zusammenleben des einst so kriegerischen Kontinents würdigt, bereitet das (noch) Vereinigte Königreich den Rückzug aus Europa vor. Dabei tragen die in London regierenden Tories nicht nur einen Konflikt mit der EU aus, sondern auch einen schrillen Disput in den eigenen Reihen. Wie immer das Referendum im nächsten Jahr ausgeht, die Briten wollen mit ihrer Stimme beschlossene Kompetenzen der EU zurückholen, sie verlangen Vertragspakete aufzuschnüren – von der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bis zum europäischen Haftbefehl. Und vom Fiskalpakt wollen die eigensinnigen Insulaner schon gar nichts wissen.

Weite Teile der öffentlichen Meinung teilen die verbohrte Skepsis ihrer politischen Elite, ein Austritt werde am Ende weniger schaden als ein Verbleib in der EU. Die Reaktion bleibt nicht aus: Längst sind etliche EU-Partner dieser Politik überdrüssig und würden die störrischen Briten ziehen lassen.

Absurd erscheint dabei Camerons Perspektive, das Heil Großbritanniens vor dem Hintergrund seiner glorreichen, aber verblassten Geschichte, im einstigen Empire, des heute noch bestehenden Commonwealth, zu suchen. Dass die weithin deindustrialisierte britische Wirtschaft auf den Wachstumsmärkten der Schwellenländer im Alleingang mehr gewinnen soll als im europäischen Verbund, bleibt rätselhaft. Doch sie werden sich entscheiden müssen. Am besten, bevor die Schotten womöglich 2014 nach 400 Jahren den erzwungenen Schutz unter der britischen Krone verlassen: Im „Freien Schottland“ gäbe es eine satte Mehrheit pro Europa.