Braunschweig. Richard Kiessler, außenpolitischer Korrespondent unserer Zeitung, schreibt über das Schicksal von Kindersoldaten in Afrika.

Sie lernen töten, bevor sie lesen und schreiben können. Sie kämpfen an der Front, in regulären Armeen und Rebellengruppen. Sie dienen als Lockvögel, Kuriere oder Wachposten an militärischen Checkpoints, sie räumen Minenfelder oder werden als Sexsklaven missbraucht.

In allen Regionen dieser Welt werden Kinder unter 15 Jahren als Soldaten eingesetzt. Sie tragen Gewehre, die oft größer sind als sie selbst. Dir zurück gebliebenen Familien weigern sich oft, die traumatisierten Kinder wieder in ihre Gemeinschaft aufzunehmen.

Die „Liste der Schande“ im aktuellen Jahresbericht der UNO dokumentiert zum heutigen Weltkindertag in 23 Ländern schwerste Verstöße gegen die Rechte von Kindern in Kriegen und bewaffneten Auseinandersetzungen. 52 Konfliktparteien sind benannt, darunter Terrornetzwerke wie Al Kaida im Irak oder Mali, Milizen wie der „Lord Resistance Army“ (LRA) in Uganda und beide Seiten der syrischen Bürgerkriegsfront.

„Schon die Römer setzten Kinder im Krieg ein“

Die weitaus größte Zahl von Verbrechen gegen Kinder registriert Amnesty International in Zentralafrika. Dort sind die gesellschaftlichen Strukturen durch Bürgerkriege und marodierende Milizen zerrüttet, staatliche Institutionen sind entweder zu schwach, um die eigene Bevölkerung zu schützen, oder tragen selbst zur Gewalt bei. In Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, dem Tschad oder dem Süd-Sudan wurden Kinder zu Tausenden getötet oder verletzt. Die bittere Bilanz der Uno kündet von weltweit 250 000 Kindersoldaten.

Dass bewaffnete Konflikte mit Kindern ausgefochten werden, ist keine Erfindung der Neuzeit. „Rossbuben“ als Pferdepfleger nutzten bereits die Römer. Kindersoldaten gab es im Dreißigjährigen Krieg und in den napoleonischen Schlachten. Aus dem Zweiten Weltkrieg sind minderjährige Luftwaffenhelfer und der Irrsinn des „Volkssturms“ im Gedächtnis geblieben. Die Japaner schickten in der Endphase auf Okinawa Schüler ins Gefecht.

Im Völkerrecht gilt der Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten als Verbrechen. Im März 2012 fällte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag sein erstes Urteil: Thomas Lubanga, einst Führer der Miliz „Union kongolesischer Patrioten“(UPC) wurde wegen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten zu 14 Jahren Haft verurteilt.

In Gesellschaften, in denen Kinder zu arbeiten beginnen, sobald sie laufen lernen, ist in aller Regel kaum vermittelbar, warum die Hilfe von Minderjährigen für eine Rebellenarmee ein Verbrechen sein soll – zumal, wenn Massaker von Regierungssoldaten ungesühnt bleiben, die die Kinder erst veranlassten, sich bewaffneten Gruppen anzuschließen.

„Es ist die Philosophie dieser Bewegungen“, hält der Uno-Bericht fest, „dass die Kinder verpflichtet sind, das Land ihrer Ahnen zu verteidigen.“ Solange die Menschen in den Wäldern, Bergen und Savannen vor allem Zentralafrikas sich vor allem sich selbst vor staatlicher oder marodierender Gewalt schützen müssen, wird sich das wohl nicht ändern.