Braunschweig. Richard Kiessler, außenpolitischer Korrespondent unserer Zeitung, zu den Plänen für ein Syrien nach Assad.

Im saudi-arabischen Mekka tagten sie ohne Syrien. Mit dem wankenden Regime in Damaskus und dessen brutaler Gewalt wollten die Staats- und Regierungschefs aus 55 islamischen Staaten nichts mehr zu tun haben. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) verbannte am Mittwoch Syrien aus ihren Reihen. Vergebens stemmte sich der Iran gegen den Rauswurf seines letzten Verbündeten. Es wird einsam um den Diktator in Damaskus.

Jetzt, da der Straßenkampf in Aleppo seine entscheidende Phase erreicht, ist der Aufstand in Syrien endgültig zu einer Stellvertreterschlacht um die künftige Machtverteilung in der Region geworden.

Zwar mag sich kein Staat mit seinen Soldaten in den Bürgerkrieg, dessen Dynamik nicht berechenbar ist, verstricken lassen. Aber angesichts des Blutzolls und der Opfer vor allem der Zivilgesellschaft unterstützen die USA, die Türkei, Saudi Arabien und Katar die Aufständischen mit Geld, Kommunikationsmitteln und Waffen – womöglich gar einer Flugverbotszone zum Schutz der Flüchtlinge.

Im Gegenzug füllen Russland und der Iran die Arsenale des Assad-Regimes an Patronen und Munition auf. Mehr und mehr ist der bewaffnete Konflikt zwischen Syriens Religionsgruppen und Ethnien von Hass und Rachegelüsten beider Seiten bestimmt. Deshalb ist es riskant, sich falschen Hoffnungen auf die Zeit nach Assad hinzugeben.

Doch hinter den Kulissen reifen konkrete Pläne. So haben in Berlin über 50 syrische Oppositionelle – darunter Vertreter des Nationalrates, der Freien Syrischen Armee, der Muslimbrüder und säkularer Nationalisten – den Übergang zu einem demokratischen System diskutiert.

Das Geheimprojekt „Day After“ wird vom Auswärtigen Amt und dem amerikanischen State Departement finanziert. Um die Syrer nicht dem Verdacht auszusetzen, Marionetten des Westens zu sein, tagte die Gruppe unter sich. Noch in diesem Monat wird in einem Dokument zu lesen sein, wie die künftige Verfassung aussehen soll, welche Reformen in Armee, Geheimdiensten und Justiz notwendig sind und wie die verschiedenen Religionsgruppen friedlich zusammenleben können.

Im Kreis der „Freunde Syriens“, dem etwa 100 Staaten angehören, hat Deutschland die Leitung der Arbeitsgruppe Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung übernommen. Gemeinsam mit dem Syrischen Nationalrat wird an langfristigen Strategien für den Übergang einer zentral gelenkten Wirtschaft in ein marktwirtschaftliches System gearbeitet.

Die Einflussmöglichkeiten von außen sind dennoch begrenzt. Was nach dem Sturz Assads passiert, ist ungewiss. Der erzwungene Regimewechsel wird keinen westlich geprägten Rechtsstaat hervorbringen. Die 23 Millionen Syrer haben einen langen Leidensweg vor sich. Ob aus ihrem Land ein Kalifat wird, das die Sunniten Syriens und des Irak zusammenführt oder ein Staat nach türkischen Vorbild?

In jedem Fall bleibt der Nahe Osten ein konfliktreicher Schauplatz für das geostrategische Kräftemessen rivalisierender Mächte.