Braunschweig. Richard Kiessler, außenpolitischer Korrespondent unserer Zeitung, schreibt über die Seeräuber-Jagd am Horn von Afrika – dem wohl gefährlichsten Seegebiet der Welt.

Am Montag ist die Fregatte „Sachsen“ ins gefährlichste Seegebiet der Welt aufgebrochen. An Bord sind 250 Mann Besatzung, darunter Kampfschwimmer und Spezialkräfte für das Entern von Schiffen und Helikopter vom Typ „Sea Lynx“.

Ob die „Sachsen“ zusammen mit einem guten Dutzend Kriegsschiffen aus den EU-Staaten die Seerouten am Horn von Afrika sicherer machen wird, steht dahin. In der ersten Jahreshälfte haben Piraten bereits 69 Handelsschiffe angegriffen. Das sind zwar erheblich weniger als die 163 Übergriffe im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Aber die Kosten der internationalen Piraterie werden auf jährlich stolze sieben Milliarden Dollar geschätzt.

Die Operation „Atalanta“ ist die erste Mission der EU zur See. Auf den Routen durch den Indischen Ozean ins Rote Meer operieren derzeit neben der europäischen Marinegruppe Kriegsschiffe aus China, Russland, Malaysia und dem Iran. Die Kommandanten stimmen sich – mehr oder weniger – ab, wer wo kontrolliert. Aber es bleibt ein oft vergebliches Bemühen, der Freibeuterei im Golf von Aden, den pro Jahr mehr als 20 000 Schiffe passieren, Herr zu werden.

Um das „Geschäftsmodell“ der somalischen Piraten zu stören, die sich in ihren schnellen langen „Skiffs“ den Frachtern nähern und sie zu entern suchen, dürfen die „Atalanta“-Seestreitkräfte seit Mai diesen Jahres die Boote , Treibstoff und Material auf einem zwei Kilometer breiten Küstenstreifen verfolgen und zerstören. Dann kommen die mit Maschinengewehren ausgerüsteten Hubschrauber oder die Spezialkräfte zum Einsatz. Ob dieses erweiterte Mandat nicht eine bloße „Scheinlösung“ ist, wie der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler meint, ist im deutschen Parlament heftig umstritten. Abschreckender wirken da offenbar die bewaffneten Söldner an Bord der Handelsschiffe. Bei privaten Sicherheitsfirmen hat die Entwicklung eine Goldgräberstimmung ausgelöst.

Die Regierung in Berlin hat gerade ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht, das deutschen Reedern freistellt, mit leichten Waffen ausgerüstete Sicherheitskräfte an Bord zu nehmen. Doch das Zulassungsverfahren wird wohl bis Mitte 2013 dauern…

Die Wurzeln des Übels aber wuchern weiter. Denn die Ursachen der Piraterie sind nicht auf dem Meer zu finden, sondern auf dem Land. Der gescheiterte Staat Somalia mit seinen isolierten Stränden mit einer ebenso verzweifelten wie kriegsgeplagten Bevölkerung bietet beste Voraussetzungen. Die von Hungersnot bedrohten Menschen halten jene Flotten, vorzugsweise aus EU-Staaten, Russland und Japan, für die wahren Piraten, die vor Somalias Küste Müll verklappen oder die Fischereigründe leerfischen. In der Tat trug die Zerstörung der heimischen Fischerei zum Kollaps Somalias Anfang der 90er Jahre bei. Und das Plündern der einst an Hummer und Thunfisch reichen Fischbestände durch ausländische Fangflotten hält an, während gleichzeitig die EU-Kriegsflotte den Schiffen des World Food Programms auf ihrem Weg nach Somalia sicheres Geleit bietet.