Braunschweig. Richard Kiessler, außenpolitischer Korrespondent unserer Zeitung, schreibt über Zypern, das am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernommen hat.

Der Staatschef ist ein gelernter Kommunist. Mit Russland verhandelt er gerade über einen Fünf-Milliarden-Dollar-Kredit. Doch am vergangenen Montagabend schlüpfte der Inselstaat vorsorglich unter den Rettungsschirm der EU, um seine maroden Banken zu rekapitalisieren. Einem Spardiktat aus Brüssel mag er sich jedoch nicht unterwerfen, die Unternehmenssteuer soll bei attraktiven zehn Prozent bleiben.

Gestern übernahm Zypern bis zum Jahresende die Präsidentschaft der Europäischen Union. Turnusgemäß.

In seinem Palast hat Präsident Demetris Christofias vorsorglich Platz schaffen lassen für an die 200 Konferenzen und Empfänge der kommenden sechs Monate. Als Chef der kommunistischen „Aufbaupartei des werktätigen Volkes“ hatte er noch leidenschaftlich gegen den EU-Beitritt Zyperns gestritten, jetzt hält er die Präsidentschaft für eine „historische Herausforderung.“

Ein merkwürdiges Staatengebilde bestimmt im nächsten Halbjahr die Agenda der EU: Die Inselrepublik im östlichen Mittelmeer, 839 000 Bewohner, beherrscht zwei Drittel des Territoriums, den Rest behauptet seit der Teilung Zyperns die türkische Volksgruppe.

Die griechische Krise

schlägt voll durch

Nur der griechische Süden fand 2004 Aufnahme in der EU – ein schwerer politischer Webfehler mit noch unabsehbaren Folgen. Ein Durchbruch zu einem bizonalen, föderalen Staat mit gleichberechtigter Teilhabe beider Volksgruppen ist nicht in Sicht. Die Verhandlungen stecken fest. Und die junge Generation der Inselbewohner verliert das Interesse an einer Lösung.

Ihre ökonomische Schieflage hat die Republik Zypern dem Bankrott der griechischen Banken zu verdanken. Die stehen mit 23 Milliarden Euro in der Kreide, nachdem Zyperns Geldhäuser reichlich griechische Anleihen hielten und die Warnungen der EU-Kommission in den Wind schlugen. Zudem sind die wirtschaftlichen Verflechtungen sehr engmaschig – ein Viertel aller Auslandsinvestitionen kommt aus Griechenland. Jetzt, da die Kredite für die heimische Wirtschaft fehlen, weil die heimischen Banken mehr als klamm sind, häufen sich die Pleiten zypriotischer Firmen und Geschäfte.

Zum Glück helfen die russischen Freunde aus: 30 000 genießen inzwischen permanent das milde Klima der Mittelmeerinsel. Sie halten 25 Prozent der Bankeinlagen und haben bereits mit einem 2,5 Milliarden-Dollar-Kredit zu 4,5 Prozent Zinsen ausgeholfen. Ein Drittel der ausländischen Investitionen kommt aus Russland.

Kein Wunder, dass Zypern längst ein einträgliches Zentrum für Handels- und Schmuggelwaren aller Art geworden ist. Westliche Geheimdienste wollen wissen, dass über den Hafen Limassol russischer Waffennachschub für das Regime in Syrien abgewickelt wird. Und Russlands Präsident Wladimir Putin wird nicht vergessen haben, dass sein zypriotischer Amtsbruder Christofias der einzige Staatschef in der EU gewesen ist, der vor vier Jahren die Invasion russischer Truppen in Georgien ausdrücklich guthieß.