Nur von Freunden umgeben zu sein, wie wir Deutschen, mag nicht immer ohne Probleme sein, ist jedoch ein immenser strategischer Vorteil. Denn mit ungemütlichen Nachbarn, intriganten oder gar kriegerischen, ist überhaupt nicht gut Kirschen essen.

Als ich jetzt im gebirgigen Norden Aserbaidschans nach den Spuren jüdischer Kultur mitten unter Muslimen suchte und in Quba eine Synagoge besuche, liefern sich Armenien und Aserbaidschan blutige Scharmützel. Die beiden Ex-Sowjet republiken im Südkaukaus sind verfeindet, seit das von Russland gestützte Regime in Jerewan 1994 Hunderttausende von Aserbaidschanern aus Berg Karabach vertrieb und seither ein Fünftel des Territoriums besetzt hält. Stetig wächst der Druck auf Präsident Ilham Alijew, die Schmach mit militärischer Gewalt wettzumachen.

Die Stabilität des reichen Ölstaates am Kaspischen Meer bedroht zudem der ungleich gefährlichere Nachbar Iran. Mit dem Staat der Ayatollahs teilt Aserbaidschan eine 1500 Kilometer lange, konfliktreiche Grenze. Dieser Tage rief das Regime in Teheran seinen Botschafter aus Baku „zur Berichterstattung“ zurück. Vor der iranischen Mission hatten Demonstranten Karikaturen mit dem Bildnis des Revolutionsführers Khomeini hochgehalten und gegen die Einflussversuche schiitischer Fundamentalisten in aserbaidschanischen Dörfern protestiert. Als daraufhin „empörte Bürger“ vor Aserbaidschans Konsulat in Täbris aufzogen, zog Baku seinen Botschafter aus Teheran ab.

Den Mullahs passte der Song-Contest gar nicht

Dem streng religiösen Iran passt die ganze Richtung des muslimischen, aber religiös toleranten Nachbarn nicht. Der Eurovision Song Contest in Baku war den gestrengen Mullahs ebenso ein Dorn im Auge wie eine Gay-Parade, in offiziellen Protestnoten als „unislamisch“ gebrandmarkt. Doch der Konflikt der beiden Nachbarn spitzt sich zu, seitdem im Streit um das iranische Atomprogramm ein Militärschlag Israels nicht mehr auszuschließen ist. Der Staat der Juden aber ist Aserbaidschans zweitwichtigster Öl-Importeur und versorgt das muslimische Land mit Drohnen, Raketenabwehrtechnik und modernstem Kriegsgerät in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar.

Vollends erzürnt hat Teheran eine offenbar gezielte Desinformation amerikanischer Geheimdienste in der Zeitschrift „Foreign Policy“, Israel habe die einstige sowjetische Luftwaffenbasis Sitalcay 50 Kilometer nördlich von Baku erworben und könne somit seine Kampfjets von Aserbaidschan aus starten oder dort auftanken lassen. In Baku stoße ich auf massive Dementis.

Man sei doch nicht „verrückt“, 300 000 Landsleute in der iranischen Exklave Naschitschewan und 25 Millionen im Iran lebende Aserbaidschaner zu Geiseln zu machen und sich selbst der Vergeltung des Iran auszusetzen. „Niemals wird Aserbaidschan erlauben“, sagt mir Verteidigungsminister Safar Abijew, „seinen Boden oder Luftraum für Angriffe gegen Iran zu nutzen, den wir als Freund und Bruder betrachten.“ Doch WikiLeaks hat Staatschef Alijew auch mit dem Satz zitiert: „Neun Zehntel unserer Vereinbarungen mit Israel liegen im Verborgenen.“