Zum Auftakt des europäischen Fußballfestes blicken die Polen selbstbewusst auf ihre noch junge, aber funktionierende Demokratie. Die Kluft zum Mitveranstalter Ukraine, den seine Oligarchen herausgeputzt, aber neben seinen demokratischen Werten auch wirtschaftlich ruiniert haben, könnte sichtbarer nicht sein: Unser nach Europa orientierter Nachbar Polen ist stolz auf seinen wirtschaftlichen Höhenflug, seine dynamische und selbstkritische Gesellschaft blickt voller Zuversicht in die Zukunft.

Die vier Stadien in Breslau, Danzig, Posen und Warschau sind bestens gerüstet für das große Fußballturnier. Die Flughäfen für die anreisenden Fans sind entweder nagelneu oder, wie der Frédéric Chopin Airport in Warschau, mit zusätzlichen Landemöglichkeiten ausgestattet.

Vorsorglich hatte Polens Verkehrsminister Slawomir Nowak die deutschen Gäste gebeten, anstelle der noch unfertigen Autobahn Berlin-Warschau doch lieber das Flugzeug zu nehmen. Denn die Straßenarbeiten verzögerten sich, nachdem der chinesische Baukonzern Covec, der zunächst ein erstaunlich preiswertes Angebot präsentierte, dann aber Nachforderungen stellte, vom Projekt ausgeschlossen wurde.

Erfolge beim Ausbau

der Wirtschaft

Dennoch kann die im letzten Oktober wiedergewählte Regierung Donald Tusk auf stolze Erfolge im Ausbau der Infrastruktur, aber auch der „ polnischen Wirtschaft“ verweisen. Dieser in der Kanzlei Friedrichs des Großen geprägte Schmäh-Begriff sollte endlich vor allem aus deutschen Köpfen getilgt werden: Polen ist als einziges EU-Land ohne Rezession durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gekommen: „Seit die Krise vor vier Jahren begann,“ lobt der Internationale Währungsfonds (IWF), „ist Polens Wirtschaft um 15 Prozent gewachsen“ – in diesem Jahr rechnet man in Warschau mit einem Wachstum von 2,7 Prozent.

Dieser Erfolg hat viele Gründe. Polens Wirtschaft ist weniger von großen westlichen Investoren abhängig, ihre stärkste Säule sind mittelständische Unternehmen, oft im Familienbesitz. Der Export ist nicht abhängig von nur wenigen Branchen, einen Kreditboom mit anschließender Überhitzung hat sich das Land erspart. Somit blieben Konjunkturschwankungen aus. Und das Aufholrennen hält an: 1999 erzielte Polen 30 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes, 2010 bereits 50 Prozent. Und, man glaubt es kaum, für 2015 will die Regierung in Warschau die Zloty-Währung durch den Euro ersetzen – sofern es den dann noch gibt.

Beliebtheit des überzeugten Europäers Tusk sinkt

Im fünften Jahr sinkt gleichwohl die Beliebtheit des überzeugten Europäers Tusk. Zum einen ist seine Rolle als Bezwinger der antideutschen und klerikalen Gebrüder Kaczynski ausgespielt, das nationalkonservative Lager ist gespalten. Zum anderen aber macht sich sozialer Protest breit, weil der Premier Renten kürzen, Privilegien der Bauern abbauen und Sozialbeiträge erhöhen will, um das Haushaltsdefizit zu drücken. Von einer drohenden Niederlage an der Urne lässt sich Tusk nicht schrecken – er will nach seiner zweiten Amtsperiode nicht wieder antreten.