Braunschweig. Unser Kolumnist Richard Kiessler schreibt in „Kiesslers Welt“ über die unversöhnlichen Staaten Armenien und Aserbaidschan.

Die haben den Krieg verloren“, sagt Eduard Sharmazanov lakonisch. Als reiche diese Feststellung, um Armeniens Anspruch auf die 1992 dem Nachbarn Aserbaidschan entrissene Enklave Berg-Karabach zu begründen.

Ich sitze dem Vizepräsidenten des armenischen Parlaments in dessen Amtszimmer in Jerewan gegenüber. „Beide Seiten müssen was geben“, sagt er. Aber was?

Die beiden Konfliktpartner im südlichen Kaukasus stehen sich unversöhnlich gegenüber, die Friedensverhandlungen stecken fest, der brüchige Waffenstillstand wird immer wieder durch Schießereien verletzt und befördert die verbale und militärische Aufrüstung in den einstigen Sowjetrepubliken.

Die Wurzeln dieses gefährlichen Streites am Rande Europas reichen in die Zeiten des Völkermordes der Türken an den Armeniern zurück. Mit dem Genozid des Jahres 1915 hatte Aserbaidschan zwar nichts zu tun, doch die (christlichen) Armenier stellen seither ihre (muslimischen) aserischen Nachbarn mit ihren türkischen Widersachern gleich.

Kompromisslose Härte

„Dies ist kein Konflikt zwischen Christen und Muslimen“, beharrt gleichwohl Sharmazanov – auch wenn Armenien ausländische Fotografen nach Aserbaidschan schickt, die dokumentieren sollen, dass die Muslime christliche Kulturgüter verkommen lassen. Wir entdecken zwei Tage später im besetzten Berg-Karabach Reste einer Moschee, die dem Verfall preisgegeben ist, auch wenn sie eine Hinweistafel unter den „Schutz des Staates“ stellt…

Ob der Krieg im Südkaukasus einer „Befreiung“ gleichkam oder einer „ethnischen Säuberung“, lässt sich in Jerewan nicht klären. Überall stoße ich auf kompromisslose Härte: „Wir halten Berg-Karabach aus Sicherheitsgründen als Pufferzone“, sagt der stellvertretende Außenminister Zohrab Mnatsakanian, „eine andere Garantie haben wir nicht.“

Klarer ist da schon die Aussage des Politikwissenschaftlers Alexander Iskandaryan: „Dieser Konflikt ist nicht lösbar.“ Will sagen: Erst wenn das Nationalstaatsdenken des 19. Jahrhunderts überwunden und man mental im 21. angekommen sei, werde es einen Kompromiss geben.

Mich stimmt bedenklich, dass sich gerade jüngere Armenier besonders hasserfüllt geben, während ältere Gesprächspartner hinter vorgehaltener Hand schon mal bekennen: „Es war doch ganz schön, als wir mit den Aseris noch zusammen lebten.“ Doch ein öffentlicher Diskurs über eine Konfliktlösung ist von der armenischen Regierung nicht erwünscht.

Dabei würde das rohstoffarme Land von einer wirtschaftlichen Kooperation mit dem öl- und gasreichen Aserbaidschan nur profitieren. Dass die ökonomische Misere immer mehr Armenier ihre Heimat zu verlassen zwingt, wird ungern zugegeben. Stattdessen wächst die Abhängigkeit vom „strategischen Partner“ Russland, der 3500 Soldaten an der Grenze zur Türkei unter Waffen hält: 60 Prozent aller Investitionen und 80 Prozent der Gasimporte bestreitet der große Verbündete, drei der vier größten Banken sind in russischer Hand. Das Interesse der Moskauer Geopolitik, ihre Dominanz über die Öl- und Gasexporte im kaspischen Raum zu behalten, unterliegt keinerlei Zweifel.